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Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End

Titel: Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bengel
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    Körbe gibt es hier nur nebenbei. Ein junger Korbmacher hat einen vor sich auf dem lap board , der flachen Planke, auf dem Schoß: ein krummes Etwas, mit Henkel zwar, doch absichtsvoll verformt, von Weitem schon kein Allerweltsartikel, eher doch ein Spaß. Nigel nimmt uns lachend das Versprechen ab, davon bei Coates nichts zu erzählen: »Die denken sonst, wir spinnen!«
    Der mustergültige Betrieb von P. H. Coate Son liegt nicht nur am anderen Ende des Dorfes, sondern auch am anderen Ende der Korbmachertradition. Hier gibt es Körbe aller Arten, Picknickkörbe, Flaschenkörbe, Blumenkörbe, Einkaufskörbe, Fahrradkörbe, Körbe für Besteck, für Eier und für Brot, Anglerkörbe, Hundekörbe, Babykörbe, Schirmständer und Zeitungsständer, Wäschetruhen und Papierkörbe und vieles mehr, wenn es nur klassisch ist. Und alles aus der überlieferungsgetreu geschälten Weide, braun zumeist, mitunter weiß, nur ausnahmsweise ungeschält. Früher nahm man nur geschälte Weide, sagt Ann Coate, die Chefin, als sie uns herumführt auf dem Hof und wir im raschen Überblick den ganzen Ablauf kennenlernen. Heute sind die grünen Weidenzweige so beliebt, sagt sie scheinbar neutral, doch mit unterkühltem Spott, »weil sie so schön natürlich aussehen«. Dann trocknen sie und werden rissig, und die Hausfrau holt sich Splitter – oder Löcher in den Strümpfen.
    Also wird die Weide erst geglättet. Die Ernte wird der Länge nach sortiert und dann gekocht, hundert Bund in einem Tank. Neun, zehn Stunden dauert das, dabei weicht die Rinde auf, und ihr Tannin zieht in das Holz und färbt es mittelbraun wie Leder. Aus dem Boiler werden die Weiden ins Stripping House gebracht, zum Schälen. Früher machten das die Frauen und die Kinder mit einer Art von Gabel, jede Rute einzeln. Heute machen es Maschinen: rotierende Trommeln entfernen die Rinde und glätten auch die winzigen Augen im Holz, das dann auf Drähten luftgetrocknet und gelagert wird, bis man es braucht oder weiterverkauft.
    Weiß wird die Weide, wenn man sie erst nach den Weihnachtstagen schneidet und danach für lange Zeit in Wasser stellt, anstatt sie zu kochen. Ungeschälte Weide muss besonders ausgelesen werden und wird vor der Verarbeitung gedämpft.
    Im Bindehaus werden die Bündel mit einem ornamentalen Knoten aus einem Weidenzweig gebunden und verziert; jeder Weidenbauer hat seit alters her seinen eigenen Knoten, und dieser hier besagt, dass dieses Bündel von Coate Son stammt, beste Ware garantiert, und einen Umfang hat von einem Yard und einem Inch, um Mängel in der Dichte auszugleichen. Alles in der besten alten Weidenbauertradition.
    Seit hundertfünfundsiebzig Jahren sind die Coates nun im Gewerbe, inzwischen in der siebten Generation, und Jonathan, der Sohn, hat immer noch neue Ideen. Der Betrieb hat fünfunddreißig Mitarbeiter, manche davon flechten auch zu Hause. Für einen ganz normalen, mittelgroßen Korb braucht ein Flechter etwa anderthalb Stunden. So muss man also erst einmal die Leute davon überzeugen, dass sie dafür so viel Geld bezahlen, sagt Mrs. Coate. Die Weidenbauer werden nicht, wie ihre Nachbarn, die im Frühjahr ihre Kühe gratis auf die Weiden-Weide treiben, von Europa unterstützt. Die Körbe aus Fernost sind billiger. Und Plastik sowieso, daneben haltbar, leicht und bunt.
    Ein wenig hat sich immerhin getan. Die Rückkehr zu natürlichen Produkten und die Neigung zum Besonderen verbinden sich in den heutigen Weidenwaren. Ein Allerweltsartikel sind sie längst nicht mehr. Inzwischen gibt es schon Designerküchen, deren Schubladen von Coate Son geflochten werden, luftige Behältnisse für frische Lebensmittel; nur den Rahmen liefert noch der Schreiner. Mit dem Umweltbewusstsein wachsen auch wieder die Weiden.
    Doch die breite wirtschaftliche Basis für das Überleben des Betriebs sind nicht solche exquisiten Wünsche; die haben Coates mit Cleverness gelegt. Sie haben die großen Kaufhäuser und Ladenketten davon überzeugen können, ihre Lebensmittel in flachen Körben auszulegen. Ann Coate zählt ihre Kunden auf, und das sind alle großen Namen in der City. Nur einer fehlt, wir fragen nach. »Oh, Harrods«, sagt sie und verzieht die Miene, »they are naughty!« Wenn Harrods britische Wochen veranstaltet, dann holen sie sich Körbe aus Taiwan! Doch ansonsten blüht der Handel mit dem Handel. Und nur eine Sorge bleibt: die Bürokraten im vereinigten Europa. »Vielleicht ist es ja eines Tages verboten, Lebensmittel in Körben zu

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