Lesereise Südengland - Tea Time vor Land’s End
präsentieren.«
Was nicht als Körbe oder im Bündel verkauft wird, immerhin die Hälfte ihrer Produktion, das wird zu Zeichenkohle. Schwarze Kohle aus den runden Weidenstäbchen ist ganz besonders weich und samtig deckend und hat inzwischen überall die länglichen Scheite der finnischen Birke abgelöst. Als wir auch diesen Teil der Produktion besichtigen, klebt eine Arbeiterin soeben Etiketten auf die grauen Kartons: »Pelikan« und »Schmincke« – alles »Made in Somerset«.
So sieht die Zukunft aus in Stoke St. Gregory. Die Vergangenheit der Weiden entdecken wir im eigenen Museum: Bienenkörbe, Spatzenfallen, Lieferwägelchen mit Rädern für die Post, alles gab es einst aus Weide. Auf Bildern sehen wir die Kinder beim stripping und die Blinden zweier Kriege, wie sie flechten. Und wir sehen auch das leichte Bärenfellgestell vom Buckingham Palace.
Dass die Zukunft eng mit der Vergangenheit verbunden ist und einmal mit ihr enden könnte, das zeigt zuletzt ein Sarg aus Weide. Jonathan hat ihn geflochten für den Ältesten von allen. Norman Upham hat inzwischen schon die Achtzig überschritten, doch er sitzt noch immer bei den anderen und bei der Arbeit, die Beine dicht am Boden, den Körper mit dem lap board fast im rechten Winkel, aufrecht. Noch steht sein Sarg bloß im Museum. Doch wenn es dann so weit ist, sagt er uns, dann möchte er darin begraben sein – gemeinsam mit dem Werkzeug, der Stechahle, dem Schlageisen, der Gartenschere und dem Messer. Dazu mit einem schnurlosen Telefon, damit man ihn auch dann noch immer fragen kann, wenn keiner weiterweiß: »Denn die Jungen«, sagt er uns, »die haben alle keine Ahnung!«
Ein Eremit, ein Otter und Regen den ganzen Tag
Wandern auf dem Tarka Trail
Der Zug heißt Sprinter, doch auf dieser Strecke kann er seinem Namen keine Ehre machen. So sehr sich die Maschine auch nach jedem Halt ins Zeug legt und die beiden Wagen vor dem Weiterfahren rüttelt: Der schwarze Ruß bleibt eine Drohung vor dem Fenster, die Fahrt setzt sich beschaulich fort. Es geht durch Heckenland und Wiesengrün, vorbei an cottages mit Kletterrosen, an schönen Gärten, Eschen, Eichen, Azaleen. Devons Hauptstadt Exeter liegt mehr als eine halbe Stunde hinter uns; vor uns liegt das Land, die Landschaft: countryside .
In Eggesford lassen wir den Gegenzug passieren, bis dahin hat die Strecke nur ein Gleis. Am Hang der Weide steht ein dunkelroter Buchensolitär, fern auf dem Hügel einsam eine Kirche. Im kleinen Bahnhof hängen Gardinen an den Fenstern, und an jeder Tür ein Schildchen: »Private«. Niemand steigt hier ein oder aus, kaum jemand wohnt in diesem Tal, und dennoch hält hier jeder Zug seit 1854. Lord Portsmouth hätte sonst der Eisenbahn sein Land nicht überlassen.
Weiter geht die Fahrt, am Fluss entlang, mit heiserem Signal vorbei am Backsteinbau des Fox and Hounds Hotel, das damals auch dem Lord gehörte wie der übernächste Halt dem Namen nach noch heute: Portsmouth Arms. Der nächste Bahnhof, Umberleigh, hat büschelweise Rosen auf der Plattform und warnt die Wartenden auf einem Schild vor seinem Dach mit losem Schiefer. Noch immer schnurrt der Zug das Tal des River Taw entlang, ins tiefste Devon, aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit. In Barnstaple sind wir am Ziel: Hier hängt am Bahnsteig zwischen bunten Blumenkörben eine runde Uhr mit Ziffern, aber ohne Zeiger. Das ist die Endstation der Tarka Line.
Tarka war ein Otter, wie es einmal viele gab in Devon. Er lebte nah der Mündung zwischen Taw und Torridge, wanderte die Flüsse auf und ab sein Leben lang, stets auf der Jagd nach Beute und dem Leben, und starb zuletzt wie ungezählte andere von seiner Art, gejagt, gehetzt, zerbissen von den Hunden. Erst ein Roman gab ihm ein zweites Leben, und weil er bloß erfunden war, lebt er noch heute hier in »Tarka Country«, seiner Heimat: »Tarka the Otter« – als Buch ein preisgekrönter Klassiker seit 1927. Mag auch sein Autor, Henry Williamson, noch fünfundvierzig Bücher nachgeschoben haben: Keines wurde so berühmt wie jenes über Tarka, den Otter.
Wir sind in Tarkas Heimat unterwegs, auf seiner Fährte durch sein Wasserreich, wo heute seine Kindeskinder leben. 1992 hat Prinz Charles am alten Bahnhof Bideford den Tarka Trail eröffnet, einen Weg von hundertachtzig Meilen Länge, den Flüssen nach bis an den Rand des Dartmoors, im Exmoor auf die grünen Buckel, an der Küste schließlich hoch am Klippenrand entlang, alles in allem eine riesige Acht, deren
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