Lesereise Tschechien
Abendessen Daniela Hammer-Tugendhat, die Sprecherin der Familie Tugendhat, die zusammen mit ihrem Neffen Eduardo Tugendhat die drei überlebenden Kinder und die Enkel der Erbauer der Villa vertrat.
Fritz und Grete Tugendhat war es seinerzeit nicht vergönnt, sich lange des neuen Hauses zu erfreuen. Als Juden mussten sie 1938 vor den Nazis flüchten, sie emigrierten über die Schweiz nach Venezuela. Zu ihren fünf Kindern gehören neben der Jüngsten Daniela auch die Zürcher Psychoanalytikerin Ruth Guggenheim-Tugendhat und der Philosoph Ernst Tugendhat, der als emeritierter Professor in Deutschland lebt und die ersten Lebensjahre in dem famosen Haus verbrachte. Zwei weitere Geschwister sind bereits gestorben, deren Kinder leben in Amerika.
Die Trennung der Familie von der Villa ist bis heute nicht aufgehoben. Das Bauwerk wurde erst von den Nazis, dann von der Sowjetarmee und danach vom kommunistischen Regime der Tschechoslowakei in einer Weise genutzt, dass manches wertvolle Objekt, zum Beispiel die halbkreisförmige Umfassung des Esstischs aus Ebenholz, dabei zu Schaden kam. Das kostbare Gehäuse, das den Ruhm des Bauhaus-Direktors Mies van der Rohe mitbegründete, war nacheinander Wohnraum für Banausen, Anstalt für Körperkultur und Rehabilitationszentrum für Kinder, ehe Brünner Experten es in den sechziger Jahren gegen vielfältigste Erschwernisse unter Denkmalschutz stellen lassen konnten. 1985 wurde es auch schon einmal notdürftig restauriert, und in all den Jahren war Daniela Hammer-Tugendhat, die heute als Professorin für Kunstgeschichte in Wien lebt, schon um eine professionelle Betreuung bemüht.
Ihr Ehemann Ivo Hammer, Professor in Hildesheim, ist ein international renommierter Restaurator und hat mit anderen Experten sowie mit seinen Studenten seit der Wende von 1989 die Villa vielfach untersucht und Konzepte für eine dauerhafte Sanierung entwickelt. Dass davon jahrelang nichts umgesetzt wurde, dass nur immer wieder neue Hindernisse sich türmten und immer neu gestritten wurde, hatte dann das Ganze irgendwann »einfach wie ein Wasserglas« überlaufen lassen, wie Daniela Hammer-Tugendhat sagt. Sie drohte 2007 mit Klage.
Ursprünglich hatte die Familie eine Rückerstattung des Hauses, die ihr gesetzlich zustünde, nicht verfolgt. Sie beließ es der Stadt Brünn, die es 1994 als Museum dem Publikum öffnete. »Unser Ziel ist immer dasselbe geblieben: Das Haus soll ordentlich restauriert werden und es soll öffentlich zugänglich bleiben«, sagte Daniela Hammer-Tugendhat. Die Brünner Kommunalpolitiker schrieben einen Architektenwettbewerb aus, dessen Ergebnis jedoch von einem Ausgeschiedenen vor Gericht erfolgreich angefochten wurde. Schließlich entschied der Stadtrat im Januar 2007, das Haus der Familie zurückzugeben. Da eine absurd hohe Schenkungssteuer drohte, sollte dies die Prager Regierung vollziehen, die sich jedoch verweigerte. Zwei Monate später nahm das Brünner Parlament deshalb den eigenen Beschluss zurück, wobei atmosphärisch auch die Enttäuschung darüber hineinspielte, dass mittlerweile die Tugendhats eine früher restituierte Statue von Wilhelm Lehmbruck aus der Villa bei Sotheby’s in London hatten versteigern lassen. Indes kam die Zeitung Mladá fronta Dnes zu dem Schluss, die Sache sei vor allem durch die Schuld der Brünner Beteiligten verdorben worden und »zum Symbol der städtischen Unfähigkeit, des Klientelismus und der Streitsucht« geworden.
Die Karre war mithin sehr gründlich verfahren, doch kam nach vielen Mühen und Beratungen am Ende eine Einigung zustande. »Es geht uns doch um eine gemeinsame Sache: in kürzester Zeit und in bestmöglicher Qualität ein unersetzliches UNESCO -Denkmal zu restaurieren«, erklärte Oberbürgermeister Roman Onderka gegenüber Daniela Hammer-Tugendhat. Nach weiteren Verzögerungen kam Bewegung in die Sache. Im Frühjahr 2010 wurde schließlich ein Bauzaun um das edle Haus gezogen, den man mit einer weißen Plane verhängte. Die Stadt Brünn beauftragte eine Architektengruppe und eine einheimische Baufirma als Generalunternehmer, die Restaurierung begann.
Sie soll etwa acht Millionen Euro kosten, die großteils durch einen Zuschuss der Europäischen Union und der tschechischen Regierung aufgebracht werden. Daniela Hammer-Tugendhat wurde von der Stadt als Ehrenvorsitzende des wissenschaftlichen Beirats berufen, der die aufwendige, immer wieder mit neuen Überraschungen und Schwierigkeiten befrachtete »denkmalgerechte
Weitere Kostenlose Bücher