Lesereise Tschechien
Wiederherstellung« des Gebäudes steuert und begleitet. Und Vorsitzender des Gremiums wurde ihr Mann, der Experte Ivo Hammer. Mit einem Ende der Bauarbeiten wurde für 2012 oder 2013 gerechnet. Danach sind in der Černopolní-Straße in Brünn auch wieder die Besucher willkommen.
Es dürfen auch die zeitgeschichtlich Interessierten sein. Jenseits der kunsthistorischen Weltgeltung hat die Villa Tugendhat nämlich auch in der politischen Geschichte des Landes einen Platz. Am großen Esstisch unterzeichneten 1992 die Politiker Václav Klaus und Vladimir Meciar den Vertrag über die Auflösung der Tschechoslowakei.
Der große Geheimnisvolle
Milan Kundera ist in seiner alten Heimat sehr präsent, obwohl er sich dort nicht blicken lässt
Milan Kundera ist den Tschechen mehr als nur ein Rätsel. Er ist ein Phantom, ein Geistwesen, dessen volatile Zugehörigkeit zur Nation nicht recht geklärt ist. Unstrittig ist, dass er 1929 in Brünn geboren wurde und bis 1975 in der Tschechoslowakei lebte. Im Prager Frühling gehörte er wie Ludvík Vaculík, Pavel Kohout oder Václav Havel zu jenen Autoren, die mit couragierten Reden und Schriften dem politischen Geschehen wesentliche Impulse gaben. Es war die Zeit, als man mit Worten noch etwas ausrichten konnte.
Seit 1975 lebt Kundera in Frankreich, wo er zu Weltruhm kam. 1979 erkannte ihm das kommunistische Regime in Prag die Staatsbürgerschaft ab, doch als es 1989 zusammenbrach, traf er keine Anstalten zur Rückkehr. Der Dichter, so scheint es, misstraut der alten Heimat, jedenfalls einigen ihrer Bewohner. Journalisten meidet er prinzipiell, ins Land kam er allenfalls inkognito, angeblich mit Perücke verkleidet. Als ihm 2007 der tschechische Staatspreis für Literatur verliehen wurde, blieb er dem Festakt »aus Gesundheitsgründen« fern und sandte aus Paris eine Ansprache auf Tonkassette, der das Publikum ergriffen lauschte.
Sein Welterfolg »Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins« durfte in Tschechien erst im Herbst 2006 erscheinen, zweiundzwanzig Jahre nach der französischen Erstausgabe und einundzwanzig Jahre nach der ersten tschechischen Edition, die der Exilverlag Sixty-eight Publishers in Toronto besorgt hatte. Spätere Werke, von Kundera auf Französisch verfasst, sind bis heute auf Tschechisch nicht verfügbar. Der Meister sperrt sich.
Dennoch ist er in der Heimat unvergessen. Seine Bücher sind Bestseller, in den Feuilletons ist der Autor häufig präsent, er gehört dazu. Als im Jahr 2008 die Zeitschrift Respekt aus den Archiven des Staatssicherheitsdienstes StB alte Observationsfotos publizierte, war darunter auch ein Bild des jugendlich-schlanken Kundera, 1969 in einer Prager Gasse belauscht und belauert; eine Frau übergab ihm dort einen Reisepass. Später brachte Respekt auch den Bericht eines Historikers, der Milan Kundera vorwarf, im Jahr 1950 als zwanzigjähriger Student einen anderen Studenten, der in Opposition zum Regime stand, bei der Polizei angezeigt zu haben. Diesmal schwieg Kundera nicht, zornbebend nannte er im Telefonat mit der Nachrichtenagentur ČTK die Behauptung eine Lüge und sprach von »einem Attentat auf einen Autor«.
In jenem Jahr 2008, da man des vierzigsten Jahrestags des Prager Frühlings gedachte, brachte die traditionsreiche Wochenzeitung Literá rní noviny ein ganzes Jahr lang eine Artikelserie, die eine berühmte Kontroverse zwischen Kundera und Václav Havel aufgriff. Die beiden Giganten der tschechischen Intelligenz sind einander gewissermaßen mit dem Rücken zugewandt, seit sie 1968 und 1969 so heftig die Klingen kreuzten.
Es ging um die Bewertung des großen Aufbruchs der tschechoslowakischen Kommunisten und der ihm folgenden Invasion vom 21. August 1968, die zunächst noch nicht von allen, auch nicht von Kundera, als Ende aller Träume angesehen wurde. Alexander Dubček war ja noch eine Weile im Amt. Kundera nannte den Protest der Tschechen gegen die Panzer der Sowjetunion und ihrer Verbündeten ein »auf immer unvergessliches Erlebnis«. Das Volk, das »nachdenklichste und gebildetste« in dieser Hälfte Europas, habe »seine eigene Größe erblickt«. »Ich bin überzeugt von der großen Berufung der kleinen Völker«, schrieb Kundera am 19. Dezember 1968. Der Prager Frühling habe gezeigt, »welch unermessliche demokratische Möglichkeiten im sozialistischen Gesellschaftsprojekt bislang brachliegen«.
Václav Havel antwortete mit dem Vorwurf des »pseudokritischen Illusionismus« und reihte Kunderas Artikel in
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