Lesereise Zypern
besetzen. Schießscharten erinnern an Tage der Gewalt. Ein Plakat, das zur Demonstration für die Rechte der Hausmädchen in Zypern aufruft, ist neueren Datums. Viele tausend Philippinerinnen erhielten ein befristetes Visum zur Altenbetreuung auf der Insel. Dass nicht alle dieser Aufgabe dann auch wirklich nachzukommen scheinen, ist ein paar Hundert Meter weiter in einer Gasse zu ahnen, die durch blinkende Leuchtreklame auf ihre Lokale aufmerksam macht. Aus der am Nachmittag noch geschlossenen Aphrodite-Bar dringt quasi eine Hymne der Prostituierten – »Love Hurts«. Der vielkehlige Chor asiatischer Frauen schreit die Botschaft, dass Liebe wehtue, so schrill auf die Straße, dass es wie eine Anklage wegen ihrer Erniedrigung klingt. Die Anzahl der an Hauswände geklebten Zettel mit der Aufschrift »Zimmer zu vermieten, hundert Euro, nur Frauen« nimmt dramatisch zu.
Die nahe Ledra-Straße als Hauptflaniermeile der Stadt vermittelt ein ganz anderes Bild. Hier sind Starbucks und McDonald’s fröhliche Nachbarn. Da glänzen Lackschuhe in Schuhläden, als läge die Sonne der Champs-Élysées über ihnen. Schulkinder in Uniform fahren im Hinterhof lautstark Karussell. Yak-Wolle aus Nepal hängt über einem Holzständer. Der Schal kostet nur drei Euro. Von der Dachterrasse des Shakolas-Turms, in dem sich ein Café befindet, ist der Rundumblick tadellos. Für einen Euro Zutritt sind alle wichtigen Sehenswürdigkeiten, die Kathedralen und Moscheen, die Bäder und Museen sowie die zahlreichen Wäscheleinen mit wehenden Hemden und Hosen auf den vielen Flachdächern der Hochhäuser bestens zu beobachten. Nikosia ist ohnehin die Stadt der Beobachter, ein Ort, an dem sich Folgen von Trennung und Teilung besichtigen lassen.
Im »Berlin No. 2« sind wieder neue Gäste vor der verrücktesten Bar der Stadt so dicht an der Grenze eingetroffen. Sie haben gerade die blau-weiß gestreiften Absperrungen mit dem niedrigen Turm und dem nach unten blickenden UN -Soldaten fotografiert. »Och, das durften wir gar nicht«, kichern sie fröhlich und erkennen erst beim raschen Durchsehen der gerade geschossenen Fotos auf dem Display ihrer Digitalkamera das Fotografieren-verboten-Schild. Es ist nicht mehr derselbe Soldat, der dort hockt. Mehr als zwei oder drei Stunden scheint das auch niemand unbeschadet zu überstehen, das Nichtstun. Niklas winkt fröhlich. Er serviert jetzt eine Runde Kebab zu sieben Euro das Stück. Drinnen in der kleinen Küche herrscht Hochbetrieb. Gleich kommen neue Gäste. Sie wollen sehen, wie es sich so isst an der Trennlinie in der letzten geteilten Hauptstadt der Welt. Die schwarz-weiß gefleckte Katze leckt ihre Pfoten, vermutlich hat sie wieder hinter der blau-weiß gestreiften Grenze gejagt. Wenigstens für sie existiert sie nicht.
Zwölf Tortenstücke für Zeus
Klöster, Körbe und ein Koordinator: Wie ein Mann das zentrale Troodos-Gebirge vermarktet – das grüne Herz der Insel
Das Troodos-Gebirge bedeckt rund ein Drittel Zyperns. Es ist das grüne Herz der Insel, das im Winter eine weiße Zipfelmütze trägt. Oben auf dem Olymp liegt meist von Januar bis Ostern Schnee. Vermutlich leben dort oben auf dem fast zweitausend Meter hohen Gipfel die Götter, jedenfalls ist das beim Olymp in Griechenland so. Dort wohnten Zeus und seine Mannschaft. Sie trafen sich in den zwölf Wohnungen zur Beratung und zum festlichen Schmaus.
An so etwas Ähnliches denkt auch Panayiotis. Der umtriebige Zypriot aus Platres nennt sich Koordinator für das zentrale Gebirge und klappt seinen Laptop auf. Er hat die felsige Gegend, in der jahrhundertealte Zedern und Schwarzkiefern wachsen, nicht in zwölf Wohnungen für zwölf Götter aufgeteilt, sondern in zwölf Tortenstücke. »Hier in der Mitte liegt der Olymp«, sagt er und strahlt wie ein Schneekönig. Bisher wissen nur wenige von seiner Zonierung des Zentralgebirges, die es schon bald attraktiv für jeden Gast aus nah und fern machen soll. »Die Menschen sollen unsere Schönheiten schmecken und berühren«, schildert er mit glühenden Augen. »Und sie sollen sofort wissen, in welches Tortenstück sie reisen müssen und was sie dort vorfinden.« Panayiotis kann Menschen mit Blicken und Worten fesseln. Er ist so von seinem Tun überzeugt, dass es Funken sprüht. Die Zuhörer werden angefacht durch diese Initialzündungen – im Idealfall. Es gibt auch welche, denen wird es zu heiß bei seinen Ausführungen und die wenden sich lieber ab.
Bei seinen Vorträgen quer durch die
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