Lesereise Zypern
Gästen.
Mehr als hundert restaurierte Häuser im kleinen Ort Tochni, der am Fuße der Berge auf halbem Weg zwischen Limassol und Larnaka liegt, und drumherum sind heute für den Agrotourismus offen. Von Tochni ging diese Bewegung aus, die vor einigen Jahren von Sofronios Potamitis ins Leben gerufen wurde. Er hatte in den USA studiert und kehrte auf seine Insel zurück, als er erkannte, was für ein Potenzial in den vielen verlassenen Ruinen seiner Dorfbewohner steckte. »Die Menschen wollen das Natürliche, das Unverwechselbare, und das haben wir hier«, verkündet Sofronios. Seine Schweizer Frau bietet Ausritte auf Pferden an. Er geht mit den Radfreaks auf Tour. Der Duft von Thymian und Orangen begleitet die Gäste auf ihrem Weg zu Helena.
Sie hat Lab in den großen Druidentopf getan und ihn vom Feuer genommen. Mit diesem Gemisch aus Enzymen wird die Milch zur Gerinnung gebracht und angedickt. Das ist gute Tradition der Käsegewinnung generell. Helena holt später den Käsebruch aus dem Kessel, legt ihn auf eine Unterlage und drückt ihn durch ein Tuch kraftvoll aus. Die Molke läuft ab. Schwere Steine, die nun über mehrere Stunden über ein Seihtuch ihr Gewicht an die etwa zehn Zentimeter hohe Käsemasse abgeben, sind für die nächste Zwischenstufe auf dem Weg zum fertigen Halloumi im Einsatz.
»Kommt mit zum Ziegenmelken«, lädt die junge Zypriotin ihre Gäste ein. Einige Tiere mit prallem Euter sind angebunden. Die sind zuerst dran. Helena kniet sich nieder und melkt das Euter in einen Eimer leer, den sie mitgebracht hat. »Versuch mal«, fordert sie einen Besucher auf. Der geht in die Hocke und hat Berührungsangst. Die zuckende, warme Zitze der Ziege mag er gar nicht anfassen. Die anderen lachen. »Du musst das Saugen einer jungen Ziege nachahmen«, befiehlt Helena und lacht dabei herzhaft. Sie zeigt es dem Fremden. Mit Daumen und Zeigefinger, die sie zum Ring schließt, umfasst sie die Wurzel einer Zitze. Dann formt sie die übrigen Finger der rechten Hand nacheinander zu einer Faust. Die streift sie nach unten ab. »Mein Mann schafft einen Liter in der Minute«, lobt sie ihn. Der Gast fremdelt immer noch. Ein paar Spritzer Ziegenmilch sammeln sich im Eimer – immerhin. Die Umstehenden klatschen. Die Ziege ist irritiert und meckert.
Georgio hat derweil fertigen Halloumi aufgetragen. Warmes Brot, das gerade gebacken wurde, steht ebenfalls auf dem Tisch. Wasser und Wein sind griffbereit. Der weiße Käse, fast im ganzen Nahen Osten verbreitet und unter anderem Namen als hellim peyniri auch in der Türkei und im Norden Zyperns beliebt, schmeckt salzig. Denn nachdem die schweren Steine von der Rohmasse genommen sind, wird er in große Würfel geschnitten und nochmals in der Molke gekocht. Sobald die Stücke an die Oberfläche steigen, nimmt Helena sie heraus und wendet sie in Salz. Manchmal nimmt sie noch getrocknete Minze dazu.
»Quietscht beim Kauen«, meint der Ziegenmelker von vorhin, als er die ersten Stücke im Mund hat. Das ist keinesfalls eine Beleidigung für das Nationalprodukt. Es liegt an der festen Konsistenz des Käses, der nur so aussieht wie Mozzarella. Mit Olivenöl und Tomaten essen ihn viele Zyprioten schon zum Frühstück. Trauben und Wassermelonen werden ebenfalls gern dazu gereicht. In Salaten ist er zu finden. Halloumi ist so fest, dass er in der Pfanne oder beim Grillen nicht schmilzt, deshalb kommt er auch gegrillt, gebacken oder gekocht auf den Tisch. Es ist eine dankbare Zutat für alle Menüträume. Helena lässt ein paar Streifen davon in frischen Datteln verschwinden. »Das ist eine süße Variante«, meint sie.
Die Landurlauber erleben und beleben. Was die Landwirtschaft auf der Insel an Ertrag bringt, ist gering. Kleinbauern haben durch Erbteilung immer kleinere Parzellen. Die meisten können vom Anbau auf diesen »Handtüchern« kaum leben. Sie müssen irgendwo anders mindestens ein paar Stunden am Tag Geld verdienen. Georgio und Helena beliefern die Umgebung mit ihrem Käse. Die zweihundert Ziegen und ein paar Schafe sind ihr Kapital. Landurlauber bringen zusätzlich Euros in die Familienkasse.
Die Fremden öffnen Herz und Mund. Sie freunden sich mit den Bauern an. Sie sehen dem Nachbarn zu, wie er Oliven schlägt. Mit langen Stöcken bearbeitet Alexandros die Zweige seiner Bäume, unter denen er große Plastikplanen ausgelegt hat. Darauf prasseln nun die schwarzen Früchte. Er sammelt sie ein und fährt sie zur Mühle. Auch dort sind die Gäste gern gesehen und
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