Lesereise Zypern
Skimaster mit einem Redakteur, der gleich vorbeikommen will, um ein paar Filmszenen zu drehen und ein Interview aufzunehmen. »Das ganze Jahr über vergessen sie einen«, nörgelt der Zypriot, als der Fernsehmann nicht mehr dran ist, »kaum fällt Schnee, soll ich zehn Interviews geben. Wer hier alles anruft!« Zypern im Schnee ist eben doch nichts Alltägliches.
Wer sich die Karten der Einheimischen genau ansieht, sucht den Olymp übrigens oft vergebens. Der Berg hier heißt Chionístra – und das bedeutet Frostbeule. Also war es hier oben schon immer kalt im Winter.
»Es kommt auf den Schnee an«, doziert der Olympionike so überzeugend, als wollte er sich für die vielen Interviews der nächsten Stunden schon warmreden. »Manchmal reichen fünfzehn Zentimeter zum Skifahren, manchmal sind dreißig nicht genug.«
Die Piste Dias überzeugt heute mit fast zwei Metern der weißen Pracht – in der Höhe wohlgemerkt, nicht in der Länge, wie Amateure leicht lästern könnten. Dann wird Lambros doch noch einmal sehr ernst. »Wir hatten in jüngster Zeit auch schon mehrere Winter ganz ohne Schnee hier oben«, lässt der Skilehrer wissen und beschreibt damit auf seine Weise die eigentliche Sensation – Zypern im Winter ganz ohne Schnee auf dem Olymp. Das wäre sogar etwas fürs Fernsehen!
Matthew weiß Rat
Wie sich die Briten heute auf der Insel ausbreiten
Walter und Eve aus Yorkshire haben seit zwei Jahren ein kleines Haus auf Zypern. Den Winter über sind sie hier. »Im Sommer ist es uns aber zu heiß«, sagt die Sechsundsechzigjährige und nippt an ihrer Weinschorle. Dann fliegen sie zurück und leben in ihrer nordenglischen Heimat. Neben ihr auf dem Sofa in der Kikko Bar liegt ihr Roman. »Super spannend«, bewertet sie das Sechshundert-Seiten-Fantasy-Werk. Ihr Mann Walter, der mit seinen sechsundsiebzig Jahren noch gern Auto fährt, flirtet mit der jungen Bedienung. »Wo hast du dein gelbes Auto gelassen?«, will sie wissen. »Längst verkauft, ich fahre jetzt das rote da draußen, guck mal«, antwortet er. »Noch ein Bier?« Walter nickt und stellt klar: »Zum Fußball immer.« Dann schaut er wieder hoch zum Fernsehgerät. Da muss er mitansehen, wie Manchester United die Wolverhampton Wanderers gerade mit fünf zu null zerlegt. »Bitter«, gibt er sich als Fan der Unterlegenen zu erkennen.
Er und seine Frau waren früher oft wochenweise auf Zypern – meist im Mai zum Wandern. Seit ein paar Jahren leben sie fast das ganze Jahr über hier, um dem »rheumatisch feuchten Nordengland zu entkommen«, wie sie sagen. Die Zyprioten verkaufen gern ihr Land oder die fertigen Häuser darauf an die Briten. Sie gehören zur größten Gruppe der Investoren. »Briten statt Gemüse«, beschreiben das die Verkäufer der kleinen Gärten Eden hinter dem Haus oder in den Bergen scherzhaft. Früher bauten sie auf den schmalen Landflächen Essbares für den Hausgebrauch an. Das ist auch heute noch auf der ganzen Insel verbreitet. Jetzt verdienen sie halt kräftig an der endgültigen Fruchtfolge, die als britischer Altersruhesitz an Rendite nicht mehr zu überbieten ist.
Walter und Eve sind oft in der Kikko Bar, denn hier bedient Samantha. »Mit der redet er gern«, kommentiert Eve das Geplänkel ihres Mannes und verdreht die Augen. Der geordnete Tagesablauf zu Hause mit den Mahlzeiten zum Gongschlag, dem künstlichen Kamin, der im kühleren Januar und Februar flackert, und täglich denselben Themen haben die Konversation des Paares eingeebnet. Die Unterhaltung wird mühsam wie das Durchschreiten einer öden Ebene. Doch es sind Blumen in Sicht: Nächste Woche soll ihre Tochter für zwei Monate kommen. Sie jobbt öfter hier. Samantha hat das vermittelt.
Die Briten und Zypern – das ist eine unendlich erscheinende Geschichte. Seit sie die Insel 1878 von den Osmanen zunächst gegen Pacht an sich nahmen, haben sie sie trotz der Unabhängigkeit 1960 nicht wirklich wieder hergegeben. Zwar sicherten sie sich in Verträgen nur drei Prozent der Landfläche bis in alle Ewigkeit, aber ihre Präsenz geht weit darüber hinaus. Der von ihnen eingeführte Linksverkehr gilt noch immer. Sie überrennen mit jährlich rund siebenhundertzwanzigtausend Touristen das Eiland, weit vor den Russen (zweihundertvierzigtausend) und Deutschen (hunderttausend). Vor allem aber kaufen sie Parzelle um Parzelle. Sie nehmen Flächen in Besitz, die die zypriotische Landkarte quasi mit einem dicken Raster an Union Jacks überzögen, würde man eine Flagge in jedes
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