Lesley Pearse
war.
»Vielleicht«, antwortete Tabitha und schaute sie leicht verwirrt an. »Warum hast du in dem Stuhl gesessen?«
Matilda lächelte. Offensichtlich konnte sich das Kind an die letzten Tage nicht erinnern. »Weil du krank warst und ich auf dich aufgepasst habe.«
Die Wanduhr schlug sieben, als Matilda Giles’ Schritte hörte. Sie musste lächeln, als sie sich vorstellte, wie überrascht er sein würde, seine Tochter munter im Bett sitzen zu sehen. Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Giles schaute herein. Wie erwartet wurden seine Augen kugelrund.
»Guten Morgen, Papa«, rief Tabitha. »Siehst du, mir gehts schon besser.«
»Oh, Tabby«, seufzte er, und sein besorgtes Gesicht hellte sich auf. »Der Tag fängt ja heute fantastisch an!«
Er trug noch sein baumwollenes Nachthemd, seine dunklen Locken kräuselten sich ungeordnet, und dichte Stoppeln bedeckten sein Kinn. Als er zu Matilda hinüberblickte, wurde er sich wohl plötzlich dessen bewusst, und er versuchte, sich hinter der Tür zu verbergen.
»Es kümmert uns beide nicht, wie Sie aussehen, Sir.« Matilda lachte. »Ich selbst schaue wahrscheinlich auch nicht wie der blühende Frühling aus.«
Später, nachdem Matilda die liegen gebliebene Arbeit erledigt hatte, dachte sie über Lilys Reaktion auf Tabithas plötzliche Gesundung nach. Es war traurig, dass sie nicht die gleiche ungebändigte Freude zeigen konnte wie Giles und sie selbst. Lily war in Tränen ausgebrochen, als sie die gute Nachricht erhalten hatte, und obwohl sie Tabithas Krankenbett kurz besucht hatte, war sie bald in ihr eigenes Zimmer zurückgekehrt. Sie blieb im Bett und weinte in die Kissen.
Dr. Kupicha erklärte, sie habe einen Schock erlitten, aber dennoch fragte sich Matilda, wie sie mit wirklichem Unglück umgehen würde, wenn sogar gute Nachrichten sie derart aus der Bahn warfen.
Doch ihre eigene Freude hielt Matilda aufrecht. Giles’ Dankbarkeit für alles, was sie getan hatte, entschädigte sie für Lilys etwas gezwungene Entschuldigung und die Rücknahme der Kündigung.
»Matty, wach auf!«
Matilda schreckte aus dem Schlaf, als sie bemerkte, dass Giles neben ihr stand und ihren Arm ergriff. Es war eine Woche nach Tabithas Genesung. »Tut mir Leid«, murmelte sie und dachte, sie hätte verschlafen. »Ist es schon sehr spät?«
»Matty, ich glaube, Mrs. Milson verliert das Baby«, sagte er mit zitternder Stimme. »Ich muss sofort den Doktor holen.«
Sie sprang aus dem Bett und blieb nur kurz stehen, um sich ihren Umhang umzulegen, bevor sie Giles folgte. Er hatte zwei Kerzen angezündet, doch trotz der spärlichen Beleuchtung konnte Matilda sehen, welche Qualen Lily auszustehen hatte.
Ihr Mann beugte sich über sie. »Matty ist jetzt bei dir, Liebes. Ich laufe den Weg zu Doktor Kupicha, wenn ich keinen Wagen finde. Halte durch!« Er griff seinen Mantel und verschwand aus dem Zimmer.
Matilda nahm Lilys Hand. »Verlieren Sie Blut?«, fragte sie sanft.
Sie nickte. »Ich bin von den Schmerzen wach geworden. Das Blut ist überall auf meinem Nachthemd. Ich verliere das Baby, nicht wahr?«
»Nicht unbedingt«, antwortete Matilda beruhigend. »Viele Frauen bluten während der Schwangerschaft.« Das war zwar eine Lüge, aber sie hoffte, dass Lily ihr genügend Glauben schenken würde, um bis zum Eintreffen des Doktors ruhig zu bleiben. »Lassen Sie mich Ihnen ein sauberes Nachthemd anziehen.«
Als Matilda die Bettdecke beiseite schob, um Lily zu waschen, musste sie einen Schreckensschrei unterdrücken. Das Nachthemd und die Laken waren von Blut durchtränkt. Matilda stellte die Kerze ein Stück vom Bett weg, damit Lily nichts bemerkte. Glücklicherweise war ihre Herrin derart peinlich berührt, dass Matilda sie an einer solch intimen Stelle wusch, dass sie ihr Gesicht abwandte und nicht sehen konnte, wie viel Blut sie verloren hatte. Sie war gerade fertig, da schrie Lily vor Schmerz laut auf. Matilda hatte sich noch nie so hilflos gefühlt wie in dem Moment, in dem der Körper ihrer Herrin sich aufbäumte. Lilys Gesicht war völlig verzerrt, und ihre Adern traten hervor. Doch langsam ebbten ihre Schreie ab, und nur noch ein gequältes Stöhnen kam über Lilys Lippen. Matilda konnte nichts tun, außer ihre Hand zu halten und sie zu überzeugen, ruhig zu bleiben, damit Tabitha nicht aufwachte und ins Zimmer kam.
Die Krämpfe gingen vorüber, und Lily ließ sich in die Kissen zurücksinken. Tränen strömten über ihre Wangen. »Giles wollte so gern ein zweites Kind«,
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