Lesley Pearse
aus ihrer Tasche holte, und das scharfe Messer, mit dem sie Lily würde schneiden müssen. Es war Giles, der darauf bestand, beides in kochendem Wasser zu waschen. Er versuchte auch zu helfen, als die Hebamme anfing, die Instrumente einzusetzen, während Matilda Lilys Hände hielt und ihr gut zuredete durchzuhalten.
Dr. Treagar erschien, als Mrs. Van Buren gerade das Köpfchen des Ungeborenen mit der Geburtszange umfasst hatte. »Ich bin da. Ich wasche mir nur schnell noch die Hände«, rief er, als er das Haus betrat. Die Botschaft, die Matilda ihm bei seiner Frau hinterlassen hatte, hatte ihn offensichtlich schon darauf vorbereitet, wie dringend seine Hilfe benötigt wurde.
Als er mit hochgekrempelten Hemdsärmeln den Raum betrat, schickte er sowohl Matilda als auch Giles hinaus und befahl ihnen, mehr Wasser zu kochen und frische Bettwäsche zu bringen. Das Letzte, was Matilda beim Verlassen des Zimmers sah, war der grimmige Blick, den er der Hebamme zuwarf, als er ihr die Geburtszangen abnahm.
Lily schrie nur noch ein Mal auf, danach war es merkwürdig still. Giles betete laut, während er die Kessel und Töpfe mit Wasser füllte. Seine Hände zitterten, und sein Gesicht war so weiß wie die saubere Bettwäsche, die Matilda aus dem Schrank holte.
Später öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer, und Mrs. Van Buren trat heraus. Ihre Schürze war blutverschmiert, und sie stolperte beinahe, als sie zum Herd ging, um Wasser zu holen.
»Wie geht es ihr?«, fragte Giles.
Sie wich seinem Blick aus. »Das Baby ist da, Sir«, flüsterte sie. »Der Doktor kümmert sich gerade um Ihre Frau.«
Giles eilte ins Schlafzimmer, und Matilda versuchte, ihm zu folgen, doch die Hebamme verstellte ihr den Weg. Aber in der einen Sekunde, bevor die Tür sich vor ihr schloss, hatte sie genug gesehen, um zu erkennen, wie schlimm es um Mutter und Kind stand. Das Baby war ohne eine Decke auf einen Waschtisch gelegt worden, es war blau und leblos. Das ganze Bett war voller Blut, und Lily hatte offenbar das Bewusstsein verloren.
Noch nie war Matilda eine Nacht so lang und verzweifelt erschienen. Mrs. Van Buren schlüpfte eine Stunde später aus dem Haus, nachdem sie Matilda einen Stoß blutdurchtränkter Wäsche gegeben hatte. Sie war offensichtlich zu verzweifelt, um noch eine Erklärung abgeben zu können. Giles blieb beim Doktor im Schlafzimmer, und Matilda konnte die Stille hinter der Tür kaum ertragen. Ab und zu hörte sie die gedämpfte Stimme des Doktors und ein Rascheln der Laken, als kontrollierte er Lilys Fortschritte, schließlich vernahm sie einige ebenso leise Worte von Giles, woraufhin wieder Stille eintrat.
In ihrer Not wandte sich Matilda an Gott. Sie bat ihn um Vergebung für ihren Mangel an Vertrauen und versprach, für immer seine Dienerin zu sein, wenn er Lily nur retten würde.
Es war gegen fünf Uhr morgens, das Morgengrauen hatte gerade eingesetzt, als Giles die Tür öffnete und sie hereinwinkte. Matilda wusste augenblicklich, dass ihre Gebete ungehört geblieben waren, denn sein Gesicht war ohne Farbe, und seine Augen waren dunkle Seen der Traurigkeit.
»Lily möchte dir etwas sagen«, flüsterte er.
Lily öffnete die Augen und hob schwach eine Hand, als Matilda auf sie zukam, um sie festzuhalten. »Bist du immer noch meine Freundin?«, wollte sie mit schwacher und krächzender Stimme wissen.
»Wie kannst du so etwas fragen?«, antwortete Matilda.
»Versprichst du mir, dass du dich für mich um Giles und Tabitha kümmern wirst?«, bat sie, und ihre grauen Augen suchten nach einem Anzeichen von Zögern in Matildas Gesicht.
»Ich verspreche es«, stimmte Matilda zu, und Tränen liefen über ihre Wangen. »Aber du wirst bei uns bleiben. Wir helfen dir, damit es dir bald besser geht.«
»Nein, Matty«, flüsterte Lily. »Hier ist mein Weg zu Ende. Gib Tabitha einen Abschiedskuss von mir und versuche, es ihr zu erklären, damit sie es verstehen kann. Du bist die beste aller Freundinnen für mich gewesen. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, sagte Matilda, doch Lilys Augen schlossen sich, bevor sie noch etwas erwidern konnte.
Matilda drehte sich um, als sie zur Tür ging, und warf noch einen letzten Blick auf Lily. Sie konnte nicht glauben, dass es so weit gekommen war. Warum Lily, die eine so gute Mutter für das Baby auf dem Waschtisch gewesen wäre?
Eine weitere Stunde verging, bevor Matilda Giles’ Schluchzen hörte. Der Doktor kam in die Küche. Er war aschfahl vor Anstrengung, und seine
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