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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Schultern waren gebeugt.
    »Es tut mir so Leid, Miss Jennings, aber sie ist von uns gegangen«, murmelte er. »Wenn ich nur früher nach Hause gekommen wäre! Vielleicht hätte ich sie und das Baby durch einen Kaiserschnitt retten können, doch ich habe noch ein anderes Kind auf die Welt bringen müssen.«
    Matilda sah ihn nur mit leerem Blick an, sie war zu erschöpft, um zu antworten. Als die Tür hinter dem Doktor ins Schloss gefallen war, legte sie den Kopf auf den Tisch und schluchzte. Am liebsten hätte sie ihren Kummer laut herausgeschrien, aber sie musste an Giles denken. Sie ging ins Schlafzimmer, wo er auf dem Boden kniete und Lilys Hand hielt. Ihr schmales Gesicht war jetzt wieder friedvoll und zeigte keine Spuren der langen Qual, die sie durchgestanden hatte. »Es tut mir so Leid«, flüsterte Matilda und legte eine Hand auf Giles’ Schulter.
    Er drehte sich zu ihr um, schloss sie in die Arme und weinte. Matilda strich ihm über das Haar, bis er sich beruhigt hatte.
    »Du musst zu Bett gehen«, drängte sie sanft. »Lass mich dich in Tabbys Zimmer bringen.«
    Er sah sie mit seinen rot unterlaufenen Augen traurig an. »Was sollen wir bloß ohne sie tun, Matty?«
    »Ich weiß es nicht, Giles«, bekannte sie ehrlich.
    Matilda wusch Lily und den tot geborenen Jungen. Er war genau der kräftige kleine Bursche, den Lily sich immer gewünscht hatte, und als sie ihn in eines der bestickten Nachthemden hüllte, das seine Mutter für ihn genäht hatte, und ihm eine kleine Mütze aufsetzte, dachte sie, ihr Herz würde entzweibrechen. Sie zog Lily ein weißes Nachthemd an, bürstete sorgfältig ihr Haar und legte es ihr vorsichtig auf die Schulter. Den Knaben bettete sie in Lilys Arme. Als sie Kerzen um das Bett herum aufstellte und sie anzündete, schien es ihr fast, als wären die beiden nur eingeschlafen.
    Später brachte Giles seine Tochter heim, nachdem er ihr im Hause ihrer Freundin erklärt hatte, was geschehen war.
    Tabitha warf sich Matilda in die Arme. »Es kann nicht sein.« Sie blickte Matilda ungläubig an. »Mama hat mir gesagt, dass ich das Baby halten darf, wenn ich zurückkomme.«
    Matilda fragte sich in diesem Moment, wie Giles an einen Gott glauben konnte, der ihm die Frau nahm und seine Tochter ohne Mutter zurückließ. Wie sollte sie, Matilda, jemals zusammenhalten, was von dieser Familie übrig geblieben war, und Worte finden, die Giles und Tabby trösteten?
    Sie nahm Tabitha in dieser Nacht mit in ihr eigenes Zimmer und hielt das schluchzende Kind in den Armen, bis es vor Erschöpfung eingeschlafen war. Doch Matilda fand keinen Trost im Schlaf, denn die Stille der Nacht beschwor Bilder von Lily in ihrer Qual herauf und das Wissen, dass das glückliche Leben, das sie miteinander geteilt hatten, nun in Scherben lag.
    Da kein anderer Pfarrer zur Verfügung stand, musste Giles den Beerdigungsgottesdienst selbst halten. Er hatte gemeint, es würde ihm helfen und er könnte sich als Geistlicher von seiner persönlichen Trauer lösen, doch seine zitternde Stimme während des größten Teils der Beerdigung zeigte, dass er sich getäuscht hatte.
    Als er die abschließenden Worte am Grab sprach und die erste Hand voll Erde auf den Sarg warf, verlor er die sorgfältig aufrechterhaltene Beherrschung. Er schrie seinen Schmerz heraus wie ein verwundetes Tier. Es war Solomon, der erste Mann in Independence, mit dem Giles bei seiner Ankunft vor zwei Jahren gesprochen hatte, der ihn vom Grab fortführte und ihn tröstete.
    Mrs. Homberger hatte Erfrischungen im Haus bereitgestellt, denn viele der Menschen, die Lily die letzte Ehre erweisen wollten, waren von weit her gekommen. Matilda gelang es, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, bis alle mit Essen und Getränken versorgt waren. In Gedanken jedoch war sie bei Giles, der mit Tabitha auf der Veranda saß. Jeder hatte an diesem Tag neben Beileidsbekundungen Ratschläge und Hilfe angeboten, doch Matilda wusste genau, dass Giles zu sehr in seinem Schmerz gefangen war, um ihre Worte aufzunehmen.
    Ein ganzer Monat verging langsam, während die Trauer dunkel und unheilvoll in der Luft hing. Matilda beschäftigte sich mit den üblichen Arbeiten im Haushalt, und Tabitha ging wieder täglich zur Schule. Oberflächlich betrachtet schien sie den Verlust langsam zu akzeptieren. Bei Giles sah es anders aus. Weder akzeptierte er Lilys Tod, noch kam er damit zurecht. Er verließ das Haus nur selten, er aß nicht, und nachts hörte Matilda ihn oft weinen und in seinem Raum

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