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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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hindern.
    »Meine Freundin hat mich hereingerufen«, erklärte Matilda mit fester Stimme und drängte sich an der Frau vorbei. »Wenn sie mich hier braucht, bleibe ich.«
    »Also gut, stellen Sie sich ans Kopfende des Bettes«, warf Mrs. Van Buren ihr unfreundlich entgegen. »Und stehen Sie mir bloß nicht im Weg.«
    Während der folgenden Stunde betete Matilda stumm, dass Giles und der Doktor bald kommen würden. Wenn Giles seine Besuche machte, kam er oft sogar noch später als heute nach Hause, da die Abende die beste Zeit waren, seine Gemeindemitglieder zu treffen. Als er am Morgen das Haus verlassen hatte, hatte nichts auf die unmittelbar bevorstehende Geburt hingedeutet. Warum sollte er Grund haben, seine Besuche zu verkürzen?
    Jede Ader an Lilys Hals und in ihrem Gesicht war hervorgetreten. Sie war schweißgebadet, und die Schmerzen kamen jetzt beinahe ohne Unterbrechung. Matilda war es unbegreiflich, wie ein Mensch solche Qualen erleiden konnte und immer noch atmete.
    »Sie können jetzt anfangen zu pressen«, sagte Mrs. Van Buren, nachdem sie Lily untersucht hatte. »Es wird nun nicht mehr lange dauern, weniger als eine Stunde vermutlich.«
    Matildas Wissen über Geburten war keineswegs umfassend, aber ihr war bekannt, dass es bald vorbei sein würde, wenn das Pressen einmal begonnen hatte. Sie hatte bei einigen Gesprächen im Finders Court zugehört und dabei erfahren, dass Frauen meist nur drei oder vier Mal pressen mussten, bevor das Baby kam, und sie begann ein wenig Hoffnung zu schöpfen.
    Lily hatte alle Anweisungen befolgt, sie hörte auf zu schreien und presste mit all ihrer Kraft, doch nach einer halben Stunde zeichnete sich langsam Sorge auf Mrs. Van Burens Gesicht ab. »Laufen Sie zum Doktor, und schauen Sie nach, ob er schon zurück ist«, befahl sie Matilda. »Richten Sie ihm aus, dass ich seine Hilfe brauche.«
    Matilda merkte, dass die Frau nicht weiterwusste, und fand diesen Gedanken äußerst erschreckend. Sie rannte los, nur um von Mrs. Treagar zu erfahren, dass der Doktor noch nicht zurückgekehrt war.
    Als Matilda zum Haus zurückeilte, fuhr Giles’ Einspänner gerade die Straße herauf. Sie lief auf ihn zu, platzte mit dem heraus, was geschehen war, und fragte, ob er den Doktor irgendwo unterwegs gesehen hatte oder ob es einen anderen gab, den sie rufen könnten.
    Giles wurde bleich. »Es gibt im Umkreis von hundert Meilen keinen anderen Doktor. Ich habe Doktor Treagar unterwegs auch nicht gesehen.«
    Sie liefen gemeinsam ins Haus und betraten das Schlafzimmer. Mrs. Van Buren kniete auf dem Bett, während Lily ihre Füße gegen die Schultern der Hebamme gestemmt hatte. Die Frau protestierte, als Giles den Raum betrat, denn ein Mann hatte ihrer Meinung nach bei einer Geburt nichts verloren. Doch er ignorierte sie und nahm Position zur Linken des Bettes ein. Matilda stellte sich auf die rechte Seite.
    Die Hebamme drängte Lily, kräftiger zu pressen, und auch Giles und Matilda sprachen ihr gut zu, doch nach einer Weile ließ Lily das Band los, das Mrs. Van Buren an das Kopfende des Bettes gebunden hatte, um Lily etwas zum Festhalten zu geben, und griff nach Giles’ Arm.
    »Es ist nicht so, als versuchte ich es nicht, wie sie zu glauben scheint«, flüsterte sie heiser. »Ich kann das Baby einfach nicht kommen lassen. Frag sie, ob es sich überhaupt schon bewegt hat.«
    Giles sah die Hebamme an. »Hat es das?«
    Mrs. Van Buren schüttelte den Kopf.
    »Was können wir tun?«, wollte er wissen und bemühte sich, nicht in Panik zu verfallen.
    »Der Doktor würde einen Kaiserschnitt vornehmen, aber das kann ich nicht. Ich weiß nicht, wie es geht.« Mrs. Van Burens Stimme wurde schriller und zeigte, dass auch sie Angst hatte. »Doch ich könnte es mit den Instrumenten versuchen.«
    Giles erbleichte. Sie meinte Geburtszangen, und er wusste, dass diese dem Säugling einen Gehirnschaden zufügen konnten. Er trat näher auf die Frau zu. »Lebt das Baby überhaupt noch?«
    Mrs. Van Buren legte einen Metalltrichter auf Lilys Bauch und lauschte. »Ja, ich kann sein Herz schlagen hören«, antwortete sie, doch die Art und Weise, wie sie sprach, verriet, dass der Herzschlag schwächer wurde.
    »Dann tun Sie, was Sie können, um ihn herauszuholen«, bat Giles mit leiser, drängender Stimme. »Was benötigen Sie? Ich werde es holen.«
    Wenn Matilda Lily nicht hätte trösten und beruhigen müssen, wäre sie wohl aus dem Raum geflüchtet. Sie sah das hässliche, zangenartige Instrument, das die Hebamme

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