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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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gestorben wäre, ich fühle mich nur irgendwie betrogen, weil wir nicht gemeinsam mit unseren Kindern alt werden konnten.«
    In den nächsten Wochen wurde deutlich, dass Giles sich langsam erholte. Er weinte nachts nicht mehr so häufig und aß wieder. Er wurde ruhiger und arbeitete. Dennoch war es Matilda, als teilte sie das Haus mit einem völlig anderen Mann. Er war unentschlossen und brütete oft still über irgendwelchen Fragen. Giles suchte ihre Gesellschaft und wollte ständig ihren Rat hören: Wen er besuchen sollte, was er sagen sollte, was er predigen sollte. Sie wusste, dass es falsch war, seine neue Abhängigkeit von ihr zu unterstützen, aber so sehr sie auch versuchte, sich von ihm zu distanzieren, merkte sie, dass sie einfach nicht anders konnte. Sie riet ihm, wie er mit seinen Gemeindemitgliedern umgehen sollte, kochte seine Lieblingsgerichte, damit er mehr aß, und berührte ihn oft mit zu viel Vertraulichkeit. Wenn er vom Regen durchnässt das Haus betrat, nahm sie ihm den Mantel ab, wie sie es immer getan hatte, nur dass ihre Finger einen kleinen Moment zu lange auf seinen Schultern ruhten. Wenn er in den Garten kam, um sich das wachsende Gemüse anzusehen, war es ihr auf seltsame Art nicht möglich, seine Hand nicht zu berühren. Wenn er auf dem Sofa neben ihr saß, war sie sich der Präsenz seines Körpers nur allzu bewusst.
    Aber es war nicht nur einseitig. Er kniff ihr in die Wange, wenn er das Haus verließ, bestand darauf, dass sie neben ihm Platz nahm, wenn er mit Tabitha auf dem Schoß im Wohnzimmer saß, und half ihr bei der harten Arbeit.
    Sie redete sich ein, ihrer beider Verhalten sei dadurch zu erklären, dass sie sich nach der Zärtlichkeit sehnten, die Lily ihnen gegeben hatte, und sich in kurzer Zeit alles wieder zum Alten wenden würde. Doch manchmal spürte sie, dass es zwischen ihnen mehr gab als nur die gemeinsame Trauer.
    Im September, fünf Monate nach Lilys Tod, wurde Tabitha eingeladen, die Nacht bei den Bradstocks zu verbringen, einer Familie mit mehreren kleinen Kindern, die eine Farm ein paar Meilen vor der Stadt besaß.
    Es war ein heißer und drückender Tag, und am Mittag war es bereits viel zu warm zum Arbeiten. Matilda pflückte ein paar Blumen und arrangierte sie zu einem kleinen Strauß, genau wie sie es früher als Mädchen getan hatte. Dann lief sie zum Friedhof, um Lilys Grab zu besuchen und sich den neuen Grabstein anzusehen, der erst einen Tag zuvor aufgestellt worden war.
    Allein die Solidität des weißen Marmorsteins und der kleinen Mauer, die rund um das Grab errichtet worden war, erfreute sie, denn sie schien sagen zu wollen, dass dies nun Lilys ständiges Zuhause war. Unter einem Baum gelegen, schien das Grab ein passender Ort zu sein, sich ihrer zu erinnern.
    Hier ruht Lily Amelia Milson mit ihrem kleinen Sohn, die ihrem liebenden Mann und ihrer Tochter zu früh entrissen wurde, lautete die Inschrift.
    Gott hat in seiner Weisheit sie gewählt.
Eine britische Rose fern der Heimat.
Lass ihre freundliche Natur die Herzen
all derer berühren, die diesen Stein sehen.
Geboren 1810 in Bristol. Gestorben 1847
in Independence, Missouri.
    Matilda war tief bewegt. Sie setzte sich ins Gras neben dem Grab, lehnte sich gegen den Baum und ließ ihre Gedanken schweifen. Sie hatte dies viele Male zuvor versucht, aber bislang war es ihr nie gelungen, die Erinnerungen an jene letzte Nacht zu verscheuchen, in der Lilys Gesicht vor Schmerz verzerrt gewesen war. Vielleicht half die Grabinschrift ihr dabei, denn heute erinnerte sie sich so an ihre Freundin, wie sie zu Lebzeiten gewesen war. Sie stellte sich vor, wie sie durch den Garten lief und lächelnd die Rosen goss.
    Sie hielt das tröstende Bild fest, schloss die Augen und dachte daran, wie Lily all die englischen Sitten aufrechterhalten hatte. Tee im Garten, der Tisch wurde mit einer bestickten Decke und ihrem zierlichen Porzellan gedeckt. Gekochte Eier zum Frühstück und gestärkte Servietten in Silberringen, eingemachtes Obst in einem kleinen Glasbehälter mit einem eigenen Löffelchen.
    »Ich vermisse dich so sehr, Lily«, sagte sie sanft. »Ohne dich ist das Haus leer und einsam. Erinnerst du dich noch daran, wie wir beim Abwasch immer lachten und plauderten? Wie wir jeden Tag den Garten inspizierten? Ich bin so allein ohne dich, und ich glaube, ich werde nie wieder eine Freundin wie dich finden.«
    Sie fuhr fort, über Tabitha und ihre Fortschritte in der Schule zu erzählen, die Tiere und dass Solomon ihnen

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