Lesley Pearse
machte sie sich noch mehr Sorgen. Da sie Alicia ihre Befürchtungen nicht anvertrauen konnte, bot sie an, einen Tee kochen zu gehen.
Als sie die Küche betrat, stöhnte sie auf. Der Raum war in vollkommener Unordnung. Die Platten, Töpfe und Pfannen vom Vortag standen ungewaschen auf dem Tisch, und die Frühstücksutensilien waren noch nicht abgeräumt. Wie genau dieses Haus geführt wurde, hatte sie nie interessiert, denn sie hatte es immer sofort nach dem Frühstück verlassen und war so lange wie möglich ausgeblieben. Doch sie wusste, dass täglich noch eine andere Frau kam, um das Abendessen zu kochen, da Alicia sich damit gebrüstet hatte, die beste Köchin in San Francisco zu beschäftigen. Ganz offenbar hatte Maria nach dem gestrigen Abendessen beschlossen, die Arbeit niederzulegen, und das Frühstück nur serviert, um eine Szene mit ihrem Herrn zu vermeiden, bevor er zum Büro ging.
Matildas erster Gedanke war, so schnell wie möglich dieses Haus zu verlassen. Doch vielleicht würde Henry in einem solchen Fall seinen Auftrag stornieren und andere bewegen, ebenso zu handeln. Es machte keinen Sinn, über ihn und Maria zu richten, denn schließlich konnte sie sich auch irren. Außerdem war Henry wirklich sehr freundlich zu ihr gewesen, und wenn sie in dieser Stadt Geschäfte abwickeln wollte, würde sie seine Unterstützung benötigen.
Sie kochte einen Tee und brachte ihn Alicia, die sich inzwischen auf das Sofa gelegt hatte.
»Maria hat nicht abgewaschen, bevor sie gegangen ist«, bemerkte Matilda, obwohl sie vermutete, dass Alicia das bereits wusste. »Ich werde abspülen. Sie bleiben, wo Sie sind, und ruhen sich aus.«
Wie vorauszusehen war, lächelte Alicia sie mit feuchten Augen an. »Oh, Mrs. Jennings, ich kann Ihnen das nicht zumuten.«
»Ich habe einige Erfahrung, was das Abwaschen angeht«, erwiderte Matilda leichten Herzens. »Und Sie wollen doch nicht auch noch Ihre Köchin verlieren?«
Es kostete Matilda eine ganze Stunde, die Küche wieder in Ordnung zu bringen. Als sie zurück ins Wohnzimmer kam, hatte sich Alicia mithilfe eines weiteren Glases Brandy beruhigt.
»Glücklicherweise haben wir heute keine Gäste«, meinte sie, gähnte und lehnte sich in den Kissen zurück. »Mr. Slocum ist zu einem Geschäftsessen eingeladen, deshalb werden nur wir beide hier sein.«
Der Abend kam Matilda endlos vor, denn Alicia hatte keinerlei Konversationstalent. Sie stellte Fragen, und sobald Matilda antwortete, blickte sie im Raum umher oder sagte plötzlich etwas anderes, das keinerlei Bezug zum Gespräch hatte. Gegen Ende des Abends hatte Matilda Mitleid mit Henry. Obwohl sie es ablehnte, dass er die Magd verführt hatte, konnte sie dennoch verstehen, warum er sich eine Geliebte genommen und sie selbst als Gast aufgenommen hatte. Alicia war so dumm und überaus uninteressant, dass fast jeder Mensch bessere Unterhaltung bieten würde.
»Es war sehr freundlich von Ihnen, mich zu beherbergen«, sagte Matilda, kurz bevor sie zu Bett ging. »Aber ich denke, ich muss morgen ein Boot nach Hause nehmen. Ich habe ausreichend Aufträge gesammelt und vermisse meine Kinder schrecklich.«
Matilda sah, wie sich Freude in Alicias hervorstehende Augen schlich, doch natürlich täuschte sie Verzweiflung vor. »Oh nein, Sie können jetzt nicht gehen!«, rief Alicia und nahm Matildas Hand. »Es war so schön, mit einer Frau zu plaudern, und Sie waren heute so gut zu mir.«
»Den Abwasch habe ich gern erledigt«, antwortete Matilda. »Besonders, da Sie sich so gut um mich gekümmert haben. Aber ich hoffe, wir werden einander bald wiedersehen. Ich vermute, dass ich hierher zurückkehren werde. Hoffentlich hat bis dahin jemand ein Hotel gebaut, damit ich nicht mehr auf die Güte solch liebenswürdiger Menschen wie Sie angewiesen bin.«
Am nächsten Morgen kam Matilda die Treppen herunter und fand Henry mit einem ratlosen Gesichtsausdruck über den Küchenherd gebeugt vor.
»Ich habe vor einiger Zeit Kaffeewasser aufgesetzt, aber es will einfach nicht kochen.«
Matilda wollte lachen, wagte es aber nicht. »Das Feuer muss jeden Morgen geschürt und neu entzündet werden«, erklärte sie. »Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde das übernehmen.«
Es kostete sie nur wenige Minuten, um sich um den Herd zu kümmern, und Henry beobachtete staunend, wie sie zuerst einige Papierstreifen entzündete und langsam kleine Holzstücke nachlegte.
»Sie sind ein wahres Wunder«, bemerkte er, als das Feuer schließlich vor sich hin
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