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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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intuitiv wissen, was das Richtige für Sie ist.«
    Matilda verstummte. Sie hatte geglaubt, Lilys Kleid sei perfekt und an jedem Ort angemessen. Sie wusste zwar, dass Lily es bereits einige Jahre besessen hatte, aber was bedeutete das schon für ein Mädchen, das nie mehr als ein einziges schäbiges Kleid besessen hatte? Doch schlimmer, als den Spott über ihre Kleidung ertragen zu müssen, war die Erkenntnis, als Lügnerin entlarvt worden zu sein. Alicia hatte durchschaut, dass sie nicht die Dame war, als die sie sich ausgegeben hatte. Wahrscheinlich war Alicia auch wütend, dass Henry sie zum Bleiben eingeladen hatte, und verärgert, weil Matilda sich als eine an Geschäften interessierte Frau über sie selbst stellte. Indem sie spitze Bemerkungen über das Kleid fallen ließ, wollte sie offenbar das Selbstvertrauen Matildas ins Wanken bringen.
    »Mode bedeutet mir nicht viel«, sagte Matilda beiläufig. »Ich interessiere mich viel mehr für die wichtigen Dinge, wie etwa die Zukunft meiner Kinder. Dieses Kleid ist bereits ein paar Jahre alt, aber für diese Stadt ist es immer noch gut genug.«
    Matilda freute sich, als sie Alicias herablassendes Lächeln schwinden sah, doch im selben Moment fühlte sie sich schuldig, denn immerhin war sie nur Gast in diesem Hause.
    »Ich sollte besser zu Bett gehen«, meinte sie unangenehm berührt. »Ich kann Ihnen für Ihre Gastfreundschaft nicht genug danken. Sie sind wirklich sehr freundlich.«
    Neun Tage später hatte nur einer von dreißig Geschäftsmännern, die Matilda hatte treffen wollen, sie nicht empfangen. Auch Henry hatte ihr einen großen Auftrag erteilt, denn er brauchte für die Verschalung des neuen Kais viel Holz. Er sagte, wenn die Lieferung innerhalb der nächsten vier Monate eintreffen und von guter Qualität sein würde, dann würde er mit John einen festen Vertrag abschließen. Dies half Matilda dabei, ihre gute Laune nicht zu verlieren, wenn sie allabendlich ihr blaues Samtkleid anziehen und Alicias verächtliche Blicke ertragen musste. Ihr geschäftlicher Erfolg besänftigte auch die Sehnsucht nach ihren Kindern ein wenig. Sie entdeckte, dass sie den langweiligen Dinners entfliehen konnte, indem sie ihre Gedanken schweifen ließ und sich Johns und Cissys Freude über ihr volles Auftragsbuch vorstellte.
    Doch während sie allein und weit entfernt von ihren Freunden und Kindern war, hatte sie auch einiges gelernt. Die wahrscheinlich wertvollste Lektion war, dass sie akzeptieren musste, wer sie war. Sie hatte weder den gesellschaftlichen Hintergrund noch die oberflächliche Sanftheit einer richtigen Dame. Andererseits hatte sie die Fähigkeit verloren, sich unterzuordnen, weshalb sie nie wieder als Dienstmädchen anderer Leute arbeiten könnte.
    Durch ihr volles Auftragsbuch hatte sie ihre Geschäftstüchtigkeit unter Beweis gestellt. Sie wusste inzwischen auch, dass sie die Ausdauer, das Köpfchen und den Ehrgeiz hatte, jedes selbst gesteckte Ziel zu erreichen.
    Traurigerweise war ihr aber auch bewusst, nun keine weiteren Geschäfte mehr für John tätigen zu können. Sicher würde er von ihrer Hilfe begeistert sein, aber sobald das Holz gefällt, bearbeitet und nach San Francisco verschifft worden war, würden die Käufer direkt mit John verhandeln, und ihre Arbeit war überflüssig. Nachdem sie jedoch das Geschäftsleben kennen gelernt hatte, wollte sie nicht mehr in einer abgelegenen Hütte sitzen und von ihrer Provision leben. Sie wollte etwas schaffen, das nur ihr gehörte. Ein Geschäft, das sie aufbauen und vielleicht später ihren Kindern und Enkeln vererben konnte.
    Jeden Tag beobachtete sie die Stadt und ihre Einwohner auf das Genaueste. Ihr anfänglicher Schrecken hatte sich verflüchtigt, sobald sie San Francisco besser kennen gelernt hatte. Vor zwei Jahren noch hatten erst um die achthundert Menschen hier gewohnt. Die Stadt hatte mit ihrem kalten Nebel und ihrer spärlichen Vegetation nicht viel zu bieten gehabt. Aber seitdem Gold in den umliegenden Bergen gefunden worden war, war die Bevölkerung schlagartig auf fünfundzwanzigtausend angestiegen, und jeden Tag strömten mehr Menschen in die Stadt, sei es über Land oder auf dem Seeweg.
    Die Goldsucher blieben nicht in San Francisco. Hier kauften sie lediglich ihre Ausrüstung und den nötigen Proviant und verschwanden dann schnell in die Berge. Doch sie kamen zurück, um ihr Gold zu verkaufen, ein wenig Spaß zu haben und Geld auszugeben. Wenn der Herbst kam und es in den Bergen nass und kalt

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