Lesley Pearse
prasselte. »Wo um alles in der Welt haben Sie das gelernt?«
»Als Kind in London«, meinte sie mit einem Lächeln. »Wir hatten keine Bedienstete in der Familie. Es stellte sich als wertvolle Fähigkeit während des Trecks heraus. Dort müssen Sie sogar bei Regen Feuer entfachen.«
Alicia war noch im Bett, und Matilda vermutete, sie war vorsätzlich dort geblieben, weshalb sie anbot, das Frühstück zu bereiten. Während sie einige Eier aufschlug, erzählte sie Henry, heute nach einem Schiff sehen zu wollen, das nach Oregon ablegte.
»Zuerst Maria und nun Sie!«, rief er ein wenig erschrocken aus. »Ich hoffe, Sie verlassen uns nicht aus den gleichen Gründen?«
Diese Bemerkung deutete darauf hin, dass er seiner Frau die Verantwortung für Marias Verschwinden gab. Matilda konnte keine Schuld in seinen Augen ausmachen, nur Besorgnis.
»Es gibt keine Verbindung, das versichere ich Ihnen«, erklärte sie und fühlte sich plötzlich sehr viel wohler, allein mit ihm zu sein. »Ich habe genügend Aufträge und vermisse meine Kinder zu sehr, um länger zu bleiben.«
»Ich vergesse des Öfteren, dass Sie Familie haben«, sagte er. »Heute Nachmittag um vier wird ein Schiff fahren. Zumindest habe ich das gestern gehört. Wenn Sie wirklich gehen wollen, werde ich Sie nach dem Frühstück hinbringen und sicherstellen, dass Sie eine anständige Kabine bekommen.«
Matilda dankte ihm, und anschließend plauderten sie über die Kinder und Oregon, während sie auf das Kochen des Kaffeewassers warteten. Nach dem Frühstück, das sie in der Küche einnahmen, brachte Matilda ein Tablett zu Alicia und verabschiedete sich. Sie war so erleichtert, gehen zu können, dass sie der Frau sogar einen herzlichen Abschiedskuss gab.
»Was für ein wunderschöner Morgen«, seufzte Henry, als er Matilda zum Kai begleitete. Es war heute nicht neblig, die Sonne war vor einem klaren, blauen Himmel aufgegangen, und der Hafen mit den vielen Schiffen sah zauberhaft aus.
»Das ist er und gleichzeitig nicht«, erwiderte Matilda und lächelte ihn an. »Wenn ich mich nicht so wahnsinnig auf meine Kinder freuen würde, täte es mir sicher Leid, San Francisco zu verlassen.«
Henry zögerte. »Ich wollte Ihnen dies bereits heute Morgen sagen«, erklärte er. »Ich war schockiert, dass Mrs. Slocum Ihnen erlaubt hat, die Küche aufzuräumen. Sie kann manchmal sehr anmaßend und unverschämt sein, das muss ich leider gestehen.«
»Es hat mir überhaupt nichts ausgemacht«, versicherte sie. Matilda spürte, dass Henry andeuten wollte, seine Ehe mit Mrs. Slocum wäre nicht die glücklichste. »Mrs. Slocum und ich haben solch unterschiedliche Hintergründe und Interessen, dass wir wahrscheinlich niemals enge Freundinnen geworden wären. Aber ich bin sehr dankbar für Ihre Gastfreundschaft und hoffe sehr, keinen beleidigt zu haben. Ich fürchte, ich bin ein wenig zu direkt.«
»Sie haben mich keineswegs beleidigt«, entgegnete er und warf ihr einen Seitenblick zu. »Ich habe Sie als interessanten, reizenden Gast kennen gelernt und bewundere Ihr Geschäftstalent.«
»Vielen Dank, Sir«, meinte sie und klimperte ein wenig mit den Wimpern. »Ich würde sehr gern ein eigenes Geschäft in San Francisco aufbauen. Ich hoffe, dass ich mich in einem solchen Falle auf Ihren Rat und Ihr Wissen stützen kann?«
»Meine liebe Mrs. Jennings«, erwiderte er. »Es wäre mir eine Ehre, Ihnen zu helfen. Ich denke, Sie sind ein äußerst seltener Vogel, nicht nur wunderschön, herzlich und humorvoll, sondern Sie haben auch Willensstärke und Geist unter Ihrem schönen Haar versteckt. Sie wären in dieser Stadt sicher erfolgreich.«
Henry hatte sich von ihr verabschiedet, nachdem er ihre Heimfahrt gebucht und die Kabine inspiziert hatte. Kurze Zeit später verließ Matilda das Boot noch einmal, um einen letzten Blick auf die Stadt zu werfen und Geschenke für die Kinder zu kaufen.
Eine Stunde später hatte sie ihren Einkauf beendet und war auf dem Weg zum Schiff, als sie plötzlich in einem Schaufenster das Spiegelbild eines jungen Mädchens auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah. Die Art und Weise, wie es eher dahinglitt, statt zu gehen, erinnerte sie an Maria. Matilda drehte sich abrupt um. Dieses Mädchen trug ein modisches, leuchtend gelbes Kleid und einen Strohhut, doch das glänzende schwarze Haar und die goldene Haut waren eindeutig mexikanisch. Wenn es nicht zu Matilda herübergesehen und eine Sekunde innegehalten hätte, um dann mit erschrockenem Gesicht
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