Lesley Pearse
zwischen Männern und Frauen kennen gelernt als Liebe und Zärtlichkeit. Manche der Blumenmädchen hatten ihr erzählt, dass Männer nur so lange nett waren, bis sie »es« bekommen hatten. Dennoch sprachen die wenigen Bücher, die sie über dieses Thema gelesen hatte, davon, dass die Liebe wundervoll war, und Matilda hatte immer gespürt, dass ihre Eltern die Liebe genauso erfahren hatten.
»Ich glaube, genauso muss es gewesen sein.« Lucas lachte etwas verlegen. »Jedenfalls konnte ich es von Anfang an nicht erwarten, sie wiederzusehen. Ich habe mir die Arme aus dem Leib gerudert, um nach Greenwich zu fahren, wo sie arbeitete. Sie war das einzige Mädchen für mich.«
»Hast du Peggy auch geliebt?«, wollte sie vorsichtig wissen. Sie erwartete, dass ihr Vater der Frage ausweichen oder entgegnen würde, sie solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Er sprach nie über Peggy.
»Nein, niemals«, antwortete er jedoch. »Und da wir gerade davon sprechen: Ich warne dich. Lass dich nie mit einem trauernden Mann ein. Sie sind für eine bestimmte Zeit nicht ganz richtig im Kopf. Sie wollen die verlorene Frau durch eine neue ersetzen, was natürlich nicht funktionieren kann.«
Matilda musste diese Weisheit erst einmal verarbeiten. Sie hatte immer männliche Bewunderer gehabt, aber sich nie ernsthaft für einen bestimmten Mann interessiert. Vielleicht war sie anders als andere Mädchen, denn die meisten in ihrem Alter lebten bereits mit einem Mann zusammen. Sie jedoch hatte noch nicht einmal einen Mann gefunden, den sie auch nur hatte küssen wollen. ›Es zu tun‹, wie die Blumenmädchen Sex umschrieben, klang in Matildas Ohren abscheulich. Dennoch war sie sich sicher, dass es anders sein müsste, wenn man den Mann liebte. Aber wie konnte sie das genau wissen?
»Woher weiß ein Mädchen, dass es geliebt wird?«, hakte sie zögerlich nach.
Lucas schaute seine Tochter an. Er wunderte sich, was eine solche Frage veranlasst hatte. »Wenn er nur das Beste für sie möchte, denke ich«, sagte er. »Wenn er über den Fluss rudern würde, nur um in ihr Gesicht zu schauen. Wenn er sein Leben für sie geben würde.«
Matildas Augen füllten sich mit Tränen. Sie ahnte, dass die Worte ihres Vaters die wahre Natur der Liebe genau erfassten. Und bis ihr ein Mann nicht solch tiefe Gefühle entgegenbrachte, würde sie sich nicht mit weniger zufrieden geben.
Während Matilda und Lucas in Richtung Primrose Hill spazierten, saßen Giles und Lily im Wohnzimmer und sprachen über Matilda.
»Ich gebe ja zu, dass sie einen gewissen Charme hat«, räumte Lily vorsichtig ein. »Aber du hast so übereilt gehandelt. Wir wissen doch fast nichts über sie.«
»Ich denke, wir wissen alles, was wichtig ist«, entgegnete Giles ruhig. »Sie ist mutig, selbstlos, ehrlich und sehr bedacht darauf, ihre Stellung im Leben zu verbessern. Sie hat Humor und ist offenherzig. Verrate mir, Lily, was gefällt dir nicht an ihr?«
»Die Art und Weise, wie sie gesprochen hat«, gab Lily schnell zurück und schauderte. »Es erinnert mich daran, wo sie herkommt.«
Giles musste beinahe lächeln. Er wusste, dass Lily sich eine filzige Bruchbude voller Ratten vorstellte. »Aggies Sprache ist auch nicht viel besser als Matildas«, bemerkte er. »Auch sie geht jeden Abend in ein Haus zurück, von dem ich nicht annehme, dass du darin leben wolltest. Aggie misstraust du deswegen nicht. Sag mir jetzt, was du an Matilda mochtest.«
Lily hatte die vergangenen Tage unablässig über dieses Mädchen nachgedacht. Sie war ihr zu Dank verpflichtet, weil sie Tabitha gerettet hatte, und ebenso wie Giles war sie von ihrer Aufrichtigkeit und ihrem Enthusiasmus begeistert gewesen. Sie wusste, dass ihr Bangen hauptsächlich durch den Gedanken ausgelöst wurde, dass Tabitha in irgendeiner Weise befleckt werden würde, wenn sich eine Fremde um sie kümmerte. Kein Mann, nicht einmal ein so verständnisvoller wie Giles, konnte diese tief wurzelnden mütterlichen Ängste nachvollziehen.
»Ich mochte ihr Aussehen. Sie hat schönes Haar und schöne Augen. Ich mochte auch die Ehrlichkeit, mit der sie über ihre Familie berichtet hat. Als sie erklärte, dass sie sich uns anpassen würde, habe ich mich gefreut.«
Giles grinste und war froh, eine positive Antwort zu hören. »Nun, Lily, ich denke, ihre positiven Eigenschaften überwiegen die negativen. Lass uns einfach abwarten, bis sie und ihr Vater zu uns kommen. Ich denke, wir werden noch einiges über sie erfahren, wenn wir
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