Lesley Pearse
ihn kennen gelernt haben.«
»Aber wirst du ihnen sagen, wir hätten es uns anders überlegt, wenn ich mit dem Kopf schüttle?«, bat Lily ihren Mann.
»Ich verspreche es dir. Du musst mir aber versichern, vernünftig zu bleiben.«
Giles’ erste Reaktion, als er Matilda und ihrem Vater die Tür öffnete, war Überraschung. Lucas Jennings war nicht der schmutzige, grobe Rohling, den er erwartet hatte. Er war nicht nur sauber gekleidet, sondern seine tiefblauen Augen strahlten auch Ehrlichkeit aus. »Ich bin froh, dass Sie Matilda begleitet haben«, begann Giles und streckte Lucas die Hand entgegen. »Ich bin Reverend Milson, kommen Sie doch herein.«
Lucas nahm etwas linkisch die Mütze vom Kopf. »Schön, Sie kennen zu lernen«, erwiderte er. »Es war sehr anständig von Ihnen, meinem Mädchen eine Stellung anzubieten.«
»Mrs. Milson und ich sind Matilda zu Dank verpflichtet. Sie hat unserer Tochter das Leben gerettet«, antwortete der Pfarrer. »Wir hoffen, dass es Ihnen bei uns gefällt und Sie Matilda beruhigt hier lassen werden.«
Lucas war für einen Moment still. Seine Hände spielten nervös mit der Mütze, die er vor der Brust hielt. »Sie ist ein gutes Mädchen und verdient eine Chance in ihrem Leben.«
Giles war erstaunt. Fährmänner waren dafür bekannt, dass sie ein stolzes und unnachgiebiges Völkchen waren, das keinerlei Hilfe von anderen Menschen annahm. Lucas musste ein intelligenter Mann und liebender Vater sein, wenn er zugab, dass Giles seiner einzigen Tochter mehr bieten konnte als er selbst.
Er brachte Lucas und Matilda direkt ins Wohnzimmer, wo Lily mit Tabitha auf dem Schoß wartete. Nachdem er Jennings seiner Frau vorgestellt und die beiden gebeten hatte, Platz zu nehmen, läutete er nach Aggie. »Ich dachte mir, wir trinken einen Tee zusammen, während ich kurz erkläre, welche Pflichten Matilda übernehmen wird.«
Aggie brachte ein Tablett mit Teeutensilien herein und zwinkerte Matilda aufmunternd zu, während sie den Tisch deckte. Obwohl dies signalisieren sollte, dass Matilda keine Angst zu haben brauchte, brach ihr angesichts der zerbrechlichen Teetassen der Schweiß aus. Hoffentlich ließ nicht ihr Vater oder sie selbst eine davon fallen! Sie würden sich unweigerlich blamieren.
Vor drei Tagen hatte sie den Raum als faszinierend und einladend empfunden, doch jetzt wirkte er mit all seinen Möbeln, Gemälden und Porzellan beengend. Sie gehörte hier nicht hin und würde es niemals tun. Matilda hatte das starke Bedürfnis, zum Finders Court zurückzulaufen, wo sie sich wenigstens frei bewegen konnte, ohne bei jedem unbedachten Schritt etwas umzuwerfen. Ihre Panik wurde noch durch das unangenehme Schweigen im Raum verstärkt.
Lily umfasste blass und ängstlich ihre Tochter. Ihr Mann hatte sich auf dem Stuhl niedergelassen und strich nervös mit dem Finger über seinen Kragen, als wüsste er nicht, wo er beginnen sollte. Lucas fixierte eines der Gemälde an der Wand, und das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims schien unnatürlich laut zu sein. Es war Tabitha, die schließlich das Eis brach. Als ihre Mutter sie auf das Sofa setzte, um Tee einschenken zu können, wand die Kleine sich frei und lief geradewegs auf Lucas zu, schenkte ihm ein gewinnendes Lächeln und streckte ihm die Arme entgegen, um sich von ihm hochheben zu lassen.
»Du möchtest mich wohl aus der Nähe betrachten, was?« Lucas entspannte sich und lächelte anerkennend sein breitestes Lächeln. »Du bist ein niedliches Ding, genau wie Matilda mir berichtet hat.«
Er hob sie auf seinen Schoß und wiegte sie in seiner Armbeuge, wie er es mit jedem seiner eigenen Kinder früher auch getan hatte. Sie schaute zu ihm hoch und strich mit ihrer Hand über sein Gesicht, als hätte sie entschieden, dass sie jetzt Freunde seien. Die Teekanne in Lilys Hand klapperte. Sie öffnete den Mund, um Tabitha aufzufordern, von Lucas’ Schoß herunterzukommen, aber als Lucas weitersprach, schloss sie ihn schnell wieder.
»Du musst immer ein braves Mädchen für meine Matty sein«, sagte er und kitzelte sie am Kinn. »Keine Dummheiten, und du darfst ihr nie mehr davonlaufen.«
Matildas Herz hatte für einen Moment aufgehört zu schlagen, als sie Lilys erste erschrockene Reaktion bemerkt hatte, doch sie spürte, dass sich die Atmosphäre bei den Worten ihres Vaters erwärmte. Lily und Giles lächelten und entspannten sich. Es war ein guter Moment, und Matilda war nie stolzer auf ihren Vater gewesen. Mit einer einzigen, intuitiven Geste
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