Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
Vom Netzwerk:
wissbegierig, mehr über diese unscheinbare, große Frau zu erfahren, die Zandra ihr ganzes Leben gewidmet hatte.
    Dolores schüttelte den Kopf. »Ich bin von einigen benutzt worden, bevor ich meinen Weg zu Miss Zandra gefunden habe. Was ich von Männern gesehen habe, hat mich für immer abgeschreckt. Aber das heißt nicht, dass ich nicht beurteilen könnte, wie Sie und der Captain sich fühlen. Ich verstehe auch, was der Tod Ihres kleinen Mädchens für Sie bedeutet. Ich vermute, am Ende ist die eine Liebe wie die andere. Ich kann Sie nun lieben, und ganz bestimmt werde ich Sie nicht Ihrem Schicksal überlassen.«
    Matilda spürte einen Kloß im Hals, und ihre Augen brannten. In wenigen, einfachen Worten war es dieser gewöhnlich so schweigsamen Frau gelungen, ihr eine schlichte, aber tiefgründige Botschaft zu übermitteln. Alles, was Matilda tun musste, war, die Liebe, die sie für Cissy und Amelia empfunden hatte, auf etwas anderes zu übertragen.
    »Ich weiß das sehr zu schätzen«, bekannte sie sanft und ergriff die Hand der schwarzen Frau. »Es geht mir jetzt viel besser, ich danke dir.«
    Am Nachmittag ging Matilda nach unten. Sie trug ein schwarzes Trauerkleid, aber Dolores hatte darauf bestanden, die Strenge des Kleides mithilfe eines neuen cremefarbenen Spitzenkragens etwas abzumildern. Sie fühlte sich ein wenig wacklig auf den Beinen, doch sie hatte entschieden, einen Spaziergang zu unternehmen.
    Sidney war allein im Gastraum und kontrollierte die Getränkevorräte. Sein zögerliches Lächeln erinnerte Matilda daran, wie gefühllos sie ihn in den letzten Wochen behandelt hatte.
    »Komm für einen Moment hierher, Sidney«, bat sie.
    Er wischte seine Hände an einem Tuch ab und eilte zu ihr. »Was gibt es?«
    »Nur eine Umarmung«, meinte sie, öffnete die Arme und zog ihn an sich. »Und eine Entschuldigung, dass ich so böse gewesen bin.«
    Er drückte sie fest, und sie konnte ihn vor Bewegung zittern spüren. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Matty«, flüsterte er. »Außerdem warst du nicht böse, sondern nur traurig. Wir reagieren alle unterschiedlich auf so großes Unglück.«
    »Ich muss sagen, dass es mir Leid tut«, beharrte sie. »Ich habe mich so in meine Sorgen eingeschlossen, dass ich vergessen habe, wie schlimm es für euch ist. Du hast viel mehr Zeit mit Cissy und den Mädchen verbracht als ich. Ich schäme mich, dass ich mich nicht besser um euch gekümmert habe.«
    »Ich bin jetzt ein Mann. Ich komme auch klar, ohne dass sich jemand um mich kümmert«, erklärte er, aber er seufzte, als wäre dies nicht die ganze Wahrheit. »Wovor ich am meisten Angst hatte, war, dich auch noch zu verlieren.«
    »Ich werde immer für dich da sein«, versprach sie, hob sein Kinn an und küsste ihn auf die Wange. »Ich vermute, ich war für eine Zeit nicht ganz ich selbst, doch nun geht es mir wieder besser. Jetzt gehe ich in die Stadt, um etwas für unser Abendessen zu kaufen. Wir müssen die Reste unserer Familie zusammenhalten.«
    Sidney lächelte schüchtern, und Tränen glänzten in seinen braunen Augen. Er strich ihr zärtlich über die Wange. »Du siehst wieder richtig hübsch aus, Matty. Ich freue mich wirklich, dich so zu sehen.«
    Sie kaufte Steaks, frisches Gemüse und Obst für das Abendessen und spazierte anschließend über die Market Street, um sich einfach ein wenig umzuschauen. Es war lange her, dass sie hier gewesen war, denn Dolores kaufte gewöhnlich das Essen ein. Wenn Matilda in die Stadt ging, hielt sie sich meist an die eleganteren Straßen.
    Vor ihrer Reise nach Oregon war viel darüber geredet worden, welche Auswirkungen der finanzielle Einbruch auf die Stadt gehabt hatte, aber vielleicht war sie zu voreingenommen gewesen, um selbst festzustellen, wie schlimm es wirklich um die Stadt bestellt war. Heute sah sie es jedoch mit eigenen Augen, und es schockierte sie.
    So viele Läden waren geschlossen und verbarrikadiert worden. Einst erfolgreiche Geschäfte standen leer, und es gab viel, viel mehr Bettler auf der Straße. Ihr Herz zog sich vor Mitleid zusammen, als sie die vielen hohlwangigen, verwahrlosten Kinder sah. Als sie beobachtete, wie eine junge Frau mit einem Baby auf den Armen sich bückte, um eine Steckrübe aufzuheben und sie unter ihrem Umhang zu verstecken, schämte sie sich zutiefst, blind für das Schicksal der Menschen gewesen zu sein.
    San Francisco war immer lebendig und voller verschiedener Kulturen gewesen, die zwar alle in ihren eigenen Vierteln

Weitere Kostenlose Bücher