Lesley Pearse
zurückgezogen, dem Geschäft, dem Personal, Sidney und Peter. Sie machte sich nicht einmal die Mühe, sich anzukleiden, sondern begann in der Minute des Erwachens mit dem Trinken, bis sie endlich einen Punkt des Vergessens erreicht hatte.
»Wenn du so verdammt schlau bist, dann verrate mir doch mal, wie ich darüber hinwegkommen soll.«
»Denken Sie an all die Menschen, denen es noch schlechter geht als Ihnen«, gab Dolores zurück. »Miss Zandra hat Ihnen das viele Geld hinterlassen, weil sie wollte, dass Sie Gutes damit tun. Wenn sie wüsste, wie Sie es vertrinken, würde sie zurückkommen und Sie übers Knie legen. Außerdem ist auch der Captain noch da. Was wird er von Ihnen denken, wenn er zurückkommt und Sie so vorfindet?«
Obwohl Matilda nicht ganz klar bei Verstand war und nicht wusste, welcher Tag heute war oder wie lange sie sich in der Wohnung vergraben hatte, drangen die zornigen Worte ihrer Magd eindeutig durch den Nebel zu ihr durch. »Er wird nicht zurückkommen«, murmelte sie kläglich. »Er ist fort, genau wie alle andern.«
Dolores zuckte bei dieser ungewohnten Zurschaustellung von Selbstmitleid zusammen. Sie fand, dass Matilda schlimmer aussah als ein Straßenmädchen, und sie beschloss, ihre Herrin härter anzufassen. Sie griff Matilda an den Schultern und schüttelte sie. »Dieser Mann wird zurückkehren«, fuhr sie Matilda an. »Ich habe noch keinen Mann eine Frau so lieben sehen. Und Sie müssen an Sidney, Peter und Miss Tabitha denken.«
Matilda schubste sie fort und fiel erschrocken zurück auf das Bett, denn Dolores jagte ihr Angst ein. »Sie sind nicht meine Kinder!«
»Sie haben sie vielleicht nicht auf die Welt gebracht, aber für die Kinder sind Sie so etwas wie ihre Mama. Sie haben nur Sie auf der Welt. Es tut ihnen weh, Sie so zu sehen. Die Mädchen unten würden ihr Leben für Sie geben, weil Sie Ihnen damals die Chance gegeben haben, der Straße zu entfliehen. Sie sind jemand, Miss Matilda, die Menschen hier respektieren Sie, und ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen Respekt verlieren. Also steigen Sie jetzt sofort in das Bad. Oder es wird ein Unglück passieren!«
Eine Stunde später war Matilda gebadet. Sie saß am Fenster und ließ ihr Haar trocknen, während Dolores sie zwang, ihre Hände in eine Schale zu legen, die mit warmem Öl gefüllt war. Obwohl sie entrüstet war, wie ein unmündiges Kind behandelt zu werden, war es dennoch schön, umsorgt zu werden.
Die Arbeit und das Säubern in Oregon, das endlose Waschen in starker Lauge, hatten ihre Hände wieder grob und unansehnlich gemacht. Aber sie konnte sich kein Herz fassen, etwas dagegen zu tun oder wie gewöhnlich Handschuhe zu tragen.
»Es ist furchtbar, die Hände einer Lady in einem solchen Zustand zu sehen«, bemerkte Dolores traurig.
»Ich bin keine Lady, Dolores«, antwortete Matilda schwach. »Das bin ich nie gewesen und werde es auch niemals sein.«
»Tatsächlich? Nun, Sie sind meine Herrin, und das macht Sie zu einer Lady«, erklärte Dolores scharf. »Ich kann dafür sorgen, dass Ihre Hände wieder besser aussehen, und auch ihr Haar werde ich Ihnen schön frisieren. Aber ich kann Ihnen kein Lächeln auf die Lippen zaubern, dafür können nur Sie selbst sorgen. Sie sollten sich langsam etwas überlegen, das Ihren schönen Mund wieder zum Lachen und Ihre Augen zum Funkeln bringt.«
Matilda hatte sich gewundert, dass diese Frau, die so selten sprach und eine Meinung äußerte, so energisch auf sie losgegangen war. Aber jetzt amüsierte Dolores’ Tonfall sie. Halb ärgerlich, halb zärtlich, so wie sie selbst früher oft mit Tabitha gesprochen hatte.
»Das ist schon viel besser«, erklärte Dolores anerkennend, als Matilda lächelte. »Sie sind wahrlich eine hübsche Frau, wenn Sie lächeln.«
»Glaubst du wirklich, dass der Captain zurückkommen wird?«, fragte Matilda ein wenig später, als Dolores ihr Haar zu Locken aufdrehte. Sie vermutete, ihre Magd wusste aus ihrer Zeit mit Zandra eine ganze Menge über Männer, und außerdem hatte sie momentan niemanden sonst, dem sie sich anvertrauen konnte.
»Ich weiß es«, erklärte Dolores entschieden. »Er ist nicht der Mann, der aufgibt. Ich vermute, er wäre längst hier, wenn er von Ihrem Unglück wüsste, selbst wenn er durch das ganze Land reiten müsste und die Pfeile der Indianer hinter ihm hersausen würden. Sie sind füreinander geschaffen, das ist ganz sicher.«
»Hast du jemals einen Mann geliebt?«, entgegnete Matilda und war plötzlich
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