Lesley Pearse
tapfer gewesen, Peter, wie sie es immer war, und Amelia und Susanna sind dahingegangen, ohne zu spüren, wie ihnen geschah.«
Cissy war stets so stolz gewesen, weil Peter als kleiner Junge nie geweint hatte. Aber jetzt weinte er, lange und verzweifelt, und vergrub sein Gesicht an Matildas Brust.
»Ich weiß, wie du dich fühlst«, flüsterte sie. »Ich habe sie auch geliebt, genauso wie Amelia.«
Sie bereitete heiße Milch für sich und Peter zu und gab ein wenig Brandy in die Tassen. »Wir glauben beide, dass wir alle verloren haben, die uns lieb waren. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch einander haben. Auch Tabitha und Sidney sind noch da. Ich werde dich bald mit nach San Francisco zu Sidney nehmen. Wir beginnen dort gemeinsam ein ganz neues Leben.«
»Warum, Tante Matty?«, begehrte er auf. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen, und seine braunen Augen blickten düster vor sich hin. »Warum mussten Mama und die Mädchen sterben? Es ist so ungerecht!«
Matilda nahm seine Hand, führte ihn zu seinem Bett nach oben, legte sich neben ihn und schmiegte sich an ihn. Der Brandy verfehlte seine Wirkung nicht, und bald verwandelten sich seine Schluchzer in Schnarchen, doch Matilda war kein Trost im Schlaf vergönnt.
Sie wusste, dass jeder mit solchen Tragödien konfrontiert wurde. Aber was sie nicht verstehen konnte, war, warum das Schicksal diese Grausamkeiten für sie selbst so oft bereithielt.
Arnold war ein paar Stunden nach Cissy gestorben, und am nächsten Tag wurde ein Beerdigungsgottesdienst für sie alle abgehalten. Cissy und die Kinder wurden neben John bestattet, und Arnolds Grab war ganz in der Nähe ausgehoben worden.
Es war so schmerzlich, Tabitha das erste Mal nach dem Tod Cissys und der Kinder zu sehen. Sie stand zwischen Reverend und Mrs. Glover und trug ein strenges schwarzes Kleid mit passendem Hut. Nur wenige Menschen waren gekommen, denn man fürchtete sich vor Ansteckung, und der Arzt hatte Matilda gesagt, sie dürfte Tabitha erst in den Arm nehmen, wenn die Gefahr gebannt war.
Tabithas Augen spiegelten Matildas Gefühle wider, tiefdunkle Seen voller Unglauben und Trauer. Sie standen nur etwa vier Meter voneinander entfernt und sehnten sich beide stumm danach, die Arme nacheinander auszustrecken. Sie wussten, dass die Worte, die sie später austauschen würden, niemals so tröstlich sein würden wie eine Umarmung.
Matilda hielt Peters Hand fest umschlossen, als die Särge in den Boden gelassen wurden, und dachte an Cissys Mut in dem Keller, in dem er geboren worden war. Sie leistete ihrer Freundin den stummen Schwur, ihn immer zu lieben und zu beschützen.
Nachdem die Gräber abgedeckt worden waren, winkte Matilda Tabitha herbei, und gemeinsam gingen sie zur einen Seite des Friedhofs, wobei sie immer noch einen Abstand einhielten.
»Wie wird es jetzt weitergehen, Matty?«, fragte Tabitha, und Tränen liefen ihr die Wangen herab.
»Peter wird mit mir kommen, aber ich möchte, dass du beim Reverend bleibst«, antwortete Matilda fest, obwohl sie sich so sehr wünschte, das Kind mit sich zu nehmen. »Du musst weitermachen, wie wir es geplant haben. Cissy wäre sehr böse, wenn du ihretwegen keine Ärztin werden würdest.«
»Aber du bist die Einzige, die mir geblieben ist«, weinte Tabitha. »Ich möchte bei dir sein.«
»Das möchte ich auch gern«, bekannte Matilda. Die Trauer des Kindes schmerzte sie. »Aber als deine Mutter und dein Vater dich mir anvertrauten, habe ich geschworen, immer das zu tun, was für dich das Beste ist. Dich nach San Francisco zu bringen wäre nicht die beste Entscheidung.«
»Bist du sicher?« Tabithas Augen waren voller Zweifel.
Matilda nickte. Sie hatte all dies sorgfältig durchdacht. Tabitha würde es in San Francisco gut gefallen, wenn sie einen kurzen Urlaub dort verbringen würde und sie nicht trauerte. Aber sie jetzt dorthin zu bringen wäre falsch, denn sie würde die Stadt hassen. Der Krach, der Schmutz und die Grobheit würden sie abstoßen, sie hätte keine Freunde und wäre in der Wohnung gewissermaßen gefangen. Bald würde sie bitterlich bereuen, nicht nach Boston gegangen zu sein.
»Der Reverend und Mrs. Glover lieben dich«, erklärte sie tröstend. »Alle deine Freunde sind hier. Es ist ein friedlicher, wunderschöner Ort, und du führst ein Leben, das du kennst und dem du vertraust. Wenn du in ein paar Wochen immer noch bei mir sein möchtest, können wir es ja nochmal überdenken. Doch versuche zuerst einmal zu
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