Letale Dosis
Hausernicht in Hessen, sondern in Niedersachsen gestorben war, doch es gab zwingende Gründe, das Grab öffnen zu lassen, um sicherzustellen, ob sein Tod natürlicher oder unnatürlicher Natur gewesen war.
Um zehn nach sieben stand sie auf, trat ans Fenster, sah hinaus. Ein leichter, jetzt am Morgen noch angenehm frischer Wind umfächelte sie, es war, als würde eine unsichtbare Hand sie sanft streicheln. Einen Augenblick lang genoß sie diese Berührung des Windes, drehte sich um, ging ins Bad. Sie stellte sich unter die kleine, in der Ecke hinter der Badewanne befindliche Dusche, ließ zwei Minuten lang lauwarmes Wasser über ihren Körper fließen, trocknete sich ab, stellte sich nackt vor den Spiegel, kämmte sich das nasse Haar, fönte es trocken, putzte sich die Zähne. Sie zog frische Unterwäsche an, Jeans, eine dazu passende blaue Bluse und schlüpfte mit nackten Füßen in die weißen Leinenschuhe. Sie legte einen Hauch Make-up und etwas Lippenstift auf, gab zwei Spritzer
Shalimar
auf den Hals, ging in die Küche. Sie stellte das kleine, noch aus ihrer Jugend stammende Kofferradio an, kochte Wasser für einen Instantkaffee, gab Cornflakes in eine Müslischale, schüttete etwas Zucker und Milch darüber und begann zu essen. Sie hörte die Kurznachrichten, die hauptsächlich aus Meldungen aus der Politik bestanden, der Wetterbericht sagte für heute Schwüle und Temperaturen von annähernd dreißig Grad vorher, doch müßte im Laufe des Nachmittags mit zum Teil kräftigen Gewittern gerechnet werden, an deren Rückseite kühlere und feuchtere Luftmassen von Westen nach Deutschland strömen sollten.
Warten wir’s ab
, dachte sie und aß einen letzten Löffel von den Cornflakes, lehnte sich zurück und trank langsam den noch immer heißen Kaffee. Sie stellte die Tasse wieder auf den Tisch, holte eine Gauloise aus der Schachtel, zündete sie an. Sie fühlte sich gut, trotz des wenigen Schlafs. Um zwanzig vor acht drückte sie die Zigarette aus, nahm ihre Tasche, überprüfte kurz den Inhaltund verließ die Wohnung. Im Briefkasten die
Frankfurter Rundschau
, sie klemmte sie unter den Arm und ging zum Wagen. Um zwei Minuten vor acht hielt sie auf dem Präsidiumshof. Der BMW von Hellmer sowie Kullmers Alfa Romeo standen bereits da. Mit schnellen Schritten überquerte sie den Hof und begab sich nach oben.
Freitag, 8.00 Uhr
Hellmer und Kullmer saßen hinter ihren Schreibtischen, Berger telefonierte. Er winkte Durant heran, sie nahm Platz. Er sagte noch »Ja« und »Danke« und legte auf.
»Erst mal guten Morgen«, sagte er, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und sah Durant an. »Das war eben die Staatsanwaltschaft. Sie haben sich noch gestern abend mit Hannover in Verbindung gesetzt wegen diesem Hauser. Die Leiche wird ohne große Formalitäten zur Exhumierung freigegeben. Ist doch schon was, oder?«
»Hoffen wir nur, daß es kein Windei ist. Wenn doch, dann stehen wir ganz schön dumm da«, sagte die Kommissarin und holte sich einen Kaffee. »Andererseits glaube ich jetzt nicht mehr an einen Zufall. Es paßt einfach zu viel zusammen. Die gleiche Kirchenzugehörigkeit, er war Diabetiker wie Rosenzweig, und er war Chemiker und Biologe. Ich denke fast, und das habe ich schon gestern abend gesagt, daß wir da eventuell einen Hinweis finden werden.«
Hellmer und Kullmer waren hinter ihren Schreibtischen hervorgekommen und hatten sich zu Durant und Berger gesetzt.
»Und dieser Arzt … wie heißt er noch mal …?«
»Öczan.«
»Dieser Dr. Öczan, was ist über ihn bisher bekannt? Wie kam er damals zu der Annahme, es könnte sich um einen unnatürlichenTod gehandelt haben? Konnten Sie noch einmal mit ihm sprechen?« fragte sie.
»Ich habe ihn gestern noch einmal angerufen«, sagte Berger und lehnte sich zurück. »Er ist in der Türkei geboren, hat Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger in Deutschland Medizin studiert, ist danach für fünf Jahre nach Afrika gegangen, um dort in einem Urwaldkrankenhaus zu arbeiten. Er sagt, er hätte dort des öfteren mit Patienten zu tun gehabt, die mit Schlangenbissen zu ihm gekommen sind. In dieser Zeit hat er eine Menge Erfahrungen gesammelt, und als er zu Hauser gerufen wurde, hat er sich sofort an seine Zeit in Afrika erinnert. Ich habe ihn gefragt, ob er eine Vermutung hat, um welches Schlangengift es sich bei Hauser gehandelt haben könnte, aber er hat abgeblockt und nur gemeint, es kämen viele Schlangen in Frage, aber auch bestimmte Skorpionarten, deren Stiche
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