Letale Dosis
nicht schlecht.«
»Liebst
du
mich denn?« fragte er.
»Komisch, daß du mich das jetzt auch fragst. Ich stelle mir immer wieder die Frage, was Liebe eigentlich ist, und je mehr ich darüber nachdenke, um so weniger finde ich eine Antwort darauf. Ich mag dich, ich fühle mich zu dir hingezogen, ich mag es, wenn du nach Schweiß riechst, wenn du mich auf deine bestimmte Weise berührst, wenn du mich fickst. Es gibt vieles, was ich an dir mag.« Sie neigte den Kopf zur Seite, verzog den Mund, zuckte die Schultern, sagte mit einem nachdenklichen Lächeln: »Ob ich dich liebe – ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Aber ist das so wichtig?«
Er lachte kehlig auf, sagte: »Erst fragst
du
mich, ob
ich
dich liebe,
du
bist eifersüchtig und drohst mir,
mich
umzubringen, wenn ich etwas mit einer andern Frau habe, und dann willst
du
wissen, ob es so wichtig ist, ob du mich liebst! Weißt du eigentlich, was du redest? Wer sagt mir denn, daß du nicht neben mir noch einen andern Mann hast? Daß du dir nicht dein Vergnügen woanders holst, wenn ich nicht verfügbar bin? Wer sagt mir das?«
»Tut mir leid«, sagte sie mit einem entschuldigenden, entwaffnenden Lächeln, »war nicht so gemeint. Ja, es stimmt schon, wenn Eifersucht etwas mit Liebe zu tun hat, dann liebe ich dich wohl. Verzeih mir, aber ich scheine mich momentan gefühlsmäßig in einer chaotischen Situation zu befinden. Und nein, es gibt keinen andern Mann in meinem Leben.«
»Schon gut«, sagte er und stand auf, öffnete eine Seite des begehbaren Wandschranks, holte zwei Gläser und eine Flasche Whiskey hervor und schenkte ein. Er reichte ihr ein Glas, sie tranken.
»Kannst du mir bitte eine Zigarette geben?« bat sie. Er zog die Schublade des Nachtschranks auf, holte ein Schachtel Davidoff Zigaretten heraus, ging zu ihr, setzte sich neben sie und steckte ihr eine Zigarette in den Mund. Er sah sie von der Seite an, sie hielt den Kopf gesenkt, er meinte, ein paar Tränen über ihr Gesichtlaufen zu sehen. Er faßte sie am Kinn, drehte ihren Kopf, so daß er ihr in die Augen sehen konnte, es waren wirklich Tränen, legte seine Arme um ihre Schultern und drückte sie an sich. Er wollte fragen, warum sie auf einmal so traurig war, warum sie weinte, doch etwas hinderte ihn daran; vielleicht hatte er Angst vor dem, was sie sagen würde, vor dem, was danach folgte, vor Fragen, mehr Tränen und nichtgegebenen Antworten. Nach einigen Sekunden löste er die Umarmung, gab ihr Feuer, zündete seine Zigarette an. Durch den Rauch hindurch sah er sie an, ihr Haar, ihr wie von einem Bildhauer gemeißeltes Profil, ihre Brüste, die Beine. Sie war eine Schönheit, eine feurige, hemmungslose Schönheit. Doch an diesem Abend hatte er zum ersten Mal Angst vor ihrem Feuer gehabt. Er überlegte, ob sie fähig wäre, ihn umzubringen, wenn sie von seinem Doppelleben erführe. Innerlich schüttelte er den Kopf, verneinte die Frage. Sie nicht, sie war nicht der Typ für einen Mord, sie war eine kühl kalkulierende Person, die immer genau zu wissen schien, wie weit sie gehen konnte. Sie war dominant und überaus selbstbewußt, und seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß solche Frauen eine unglaubliche Kontrolle über sich hatten. Sie hatte Kontrolle über andere und über sich selbst. Und solange
er
ihr das Gefühl gab,
ihn
zu kontrollieren, konnte überhaupt nichts schiefgehen. Er durfte sich nur keine Blöße geben, denn er wußte nicht, wie sie dann reagieren würde. Er kannte sie seit drei Jahren und seit dieser Zeit hatte es nicht einen Moment gegeben, in dem sie die Beherrschung verloren hatte, und er hatte auch keine Vorstellung davon, wie es aussehen könnte, wenn dieser Moment eintrat. Würde sie schreien, toben, um sich schlagen, mit Geschirr werfen, oder würde sie …? Nein, er verwarf den Gedanken gleich wieder. Sie war einfach anders, eine Sorte Frau, die man, wenn man Glück hatte, nur einmal im Leben traf. Eine, die sich nicht mit den Millionen anderer Frauen vergleichen ließ, deren Leben aus nichts bestand als der treuen, selbstlosen Hingabe an einen Ehemann, der aufopferungsvollenLiebe zu den Kindern; die nichts kannten als den täglichen, langweiligen Trott zu Hause, in deren Köpfen zwar bisweilen verwerfliche Gedanken herumspukten, die sie aber nie ausleben würden; die einfach nur existierten, ohne zu wissen, warum; die sich zwar insgeheim ein anderes, aufregenderes Leben wünschten, die aber nicht in der Lage waren, diesen Wunsch auch umzusetzen. Zu viele solcher
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