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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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mußte ich eben bestraft werden. So einfach war das.« Er machte eine kurze Pause, nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier, sah Durant wieder an, diesmal mit einem nachdenklichen Blick. »Wenn Sie meinen Vater kennen würden, ich meine, richtig kennen, dann wüßten Sie, was ich meine. Er duldet keinen Widerspruch, niemals. Er bestimmt die Regeln, egal, wo und wie, und er ändert diese Regeln, wann immer es ihm beliebt. Allein in seiner Nähe zu sein kann schon zu einer Qual werden. Es tut mir leid, aber mein Vater ist für mich gestorben. Lieber krepiere ich in diesem gottverdammten Loch, als noch einmal
sein
Haus zu betreten.«
    »Was hat er Ihnen getan?«
    »Mir?« fragte er und senkte den Blick. »Mir eigentlich weniger, aber …« Er machte eine Pause, trank die Dose leer, stellte sie auf den Tisch. »Fragen Sie doch Laura, oder meinen Bruder Stephan. Oder meine Mutter. Vielleicht bekommen Sie von denen eine Antwort, was er getan hat. Andererseits glaube ich nicht, daß die den Mund aufmachen. Dazu sind sie viel zu feige, außer Laura vielleicht. Denn sie springen immer noch, wenn der alte Herr ›hopp‹ ruft. Sie springen und springen und springen. Denn sie alle haben Angst vor … IHM. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sie haben Angst vor Ihrem Vater?«
    Er lachte höhnisch auf und schlug sich auf die Schenkel. »Klar, vor dem auch. Aber in Wirklichkeit fürchten sie sich vor
IHM
da oben«, sagte er und deutete in Richtung Decke. »Sie fürchten sich vor der großen und unbarmherzigen Strafe des
Allmächtigen
.Und warum fürchten sie sich vor dieser Strafe? Weil mein lieber Herr Vater es ihnen immer und immer wieder einbläut. Sie müssen wissen, mein Vater kennt Gott besser als irgend jemand sonst, oder zumindest besser als die meisten! Er weiß genau, wer und wie Gott ist, daß Gott über jeden unserer Schritte genauestens wacht, und wenn wir auch nur einmal stolpern, dann wird dieser Gott uns mit unnachgiebiger Härte bestrafen.« Er hielt inne, seufzte auf, fuhr nach einer Weile ruhiger fort: »Es hat lange gedauert, bis ich kapiert habe, wie verlogen und bigott die Sprüche meines alten Herrn sind. Er hat mit Gott gedroht, dabei waren es allein
seine
Drohungen … Das Seltsame ist, ich glaube immer noch, daß es einen Gott gibt, aber der sieht ganz anders aus als der Gott meiner Kindheit und Jugend. Dieser Gott ist gütig und gnädig, er verzeiht und vergibt, und vor allem, er liebt jedes einzelne seiner Kinder. Und verdammt noch mal, er liebt auch mich, egal was ich getan habe!« Die letzten Worte kamen stockend über seine Lippen, er beugte sich nach vorn, fuhr sich mit einer Hand über die Augen.
    »Sie trinken viel, nicht?« fragte Durant vorsichtig.
    »Ja, leider. Aber ich bin jetzt nicht betrunken, wenn Sie das meinen. Ich wünschte nur, es gäbe für mich einen leichteren Weg aus dieser Welt. Ich saufe, und ab und zu drehe ich mir einen Joint, und das alles nur, um zu vergessen. Aber ich habe längst gemerkt, daß es ein Vergessen nicht gibt. Dieser Schweinehund ist nämlich allgegenwärtig, er verfolgt mich sogar in meinen Träumen. Ich kann ihn nicht abschütteln. Wissen Sie, wovon ich lebe? Von Sozialhilfe, und dann und wann steckt mir Laura ein paar Mark zu. Laura ist die einzige in der Familie, zu der ich ab und zu Kontakt habe, sie ist auch die einzige, die ich bewundere. Ich bewundere sie, weil sie all das, was sie erleiden mußte, so gut weggesteckt hat. Sie ist die einzige, die offensichtlich keinen Schaden genommen hat.«
    »Was mußte sie denn erleiden?«
    »Fragen Sie sie. Ich bezweifle aber, daß Sie eine Antwort darauf erhalten werden. Sie ist zu stolz, um über das zu reden, was in der Familie vorgefallen ist. Sie ist stolz und stark. Aber sie ist anders stark als mein Vater. Sie ist vielleicht sogar die stärkste von uns allen. Auf jeden Fall aber ist sie die liebenswürdigste. Sie verdammt mich nicht, sie sagt nur ab und zu, daß ich weniger trinken soll, und sie hat verdammt noch mal recht damit. Ja, ich sollte weniger trinken, ich sollte etwas aus meinem Leben machen, aber ich kann nicht.«
    »Was arbeiten Sie?« fragte Durant und steckte sich eine Zigarette an.
    »Kann ich auch eine haben?« fragte Fink. »Ich muß erst noch los, mir welche besorgen.«
    Sie reichte ihm wortlos die fast volle Schachtel, er nahm eine Gauloise heraus und zündete sie an. Er inhalierte tief, blies den Rauch zur Decke.
    »Ich arbeite nicht. Es scheint, als gäbe es keinen Platz für mich

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