Letale Dosis
Frauen hatte er schon kennengelernt, und deshalb wußte er, was er an ihr hatte. Er hatte nie zuvor eine ausgeglichenere Frau gekannt. Sie war die Frau, die er sich immer in seinem Bett gewünscht hatte.
»Was hältst du eigentlich von diesen seltsamen Morden, die im Augenblick in Frankfurt passieren?« fragte sie wie beiläufig nach einer längeren, mit Schweigen gefüllten Pause.
»Meinst du diese Giftmorde? Ich weiß es nicht, aber für meine Begriffe ist das ein Verrückter, ein genial Verrückter, um es genau zu sagen. Bei demjenigen liegen wahrscheinlich Genie und Wahnsinn extrem dicht beisammen. Allein sich eine solche Methode auszudenken! Andere machen es auf die plumpe Weise, kaufen sich eine Pistole oder ein gutes Messer, aber er, er tötet mit Gift. Auf jeden Fall eine clevere Methode.«
»Und was, wenn es eine Sie ist?« fragte sie und drückte ihre Zigarette aus. »Ich meine, die Theorien in den Medien gehen ja im Augenblick hauptsächlich davon aus, daß es sich um eine Frau handelt.«
»Ich habe bis jetzt keine Ahnung, ob ein Mann oder eine Frau verdächtigt wird. Mord bleibt Mord und da kommt es nicht darauf an, wer mordet und wie, sondern daß man es überhaupt tut. Das Motiv würde mich interessieren, und vielleicht auch noch ein Gespräch mit dem Täter oder der Täterin. Und auch, was die Opfer ausgefressen haben. Aber warum interessiert dich das?« fragte er.
»Nur so«, sagte sie achselzuckend. »Ich wollte nur deine Meinung hören, du Spezialist.«
»Ich bin kein Spezialist, zumindest nicht für solche Fälle«, sagte er grinsend. »Und du, was denkst du?«
»Ich kenne mich mit so was doch überhaupt nicht aus.« Sie warf einen Blick zur Uhr, kurz vor zwölf, sagte: »Ich denke, ich sollte jetzt gehen. Morgen ist ein harter Tag und ich will wenigstens noch sechs Stunden schlafen. Wann sehen wir uns wieder?«
»Warum bleibst du nicht über Nacht?« fragte er.
»Nein, nicht heute.«
»Nicht gestern, nicht heute, nicht morgen«, sagte er beleidigt, »du hast noch nie hier übernachtet. Warum nicht? Gefällt es dir hier nicht?«
Sie streichelte ihm mit einer Hand übers Gesicht, ihr Blick wirkte wieder traurig, sie sagte leise: »Es gefällt mir sogar sehr gut hier. Aber ich kann einfach nicht. Bitte versteh mich.«
»Erklär es mir, damit ich es verstehe.«
Sie zuckte die Schultern, wandte den Blick ab, sagte: »Laß es doch einfach so, wie es ist. Ich kann es dir nicht erklären …«
»Doch, du könntest es, wenn du wolltest. Aber soll ich dir sagen, was dein Problem ist? Du fürchtest dich, hier zu übernachten, weil du dich in keiner Weise binden möchtest. Du möchtest nicht hier schlafen, weil ich dich dann unter Umständen irgendwann fragen könnte, ob du nicht für immer hier wohnen willst, aber irgend etwas in dir will keine Bindung. Das habe ich vom ersten Augenblick an gespürt, als wir uns kennenlernten. Und jetzt bin ich mir wirklich sicher. Schade.«
Sie lächelte verlegen, sah ihn von der Seite an. »Nein, das ist es nicht. Irgendwann werde ich hier übernachten, und irgendwann werde ich auch für länger bleiben. Nur jetzt im Augenblick geht es noch nicht.«
»Und wann wird der Augenblick sein? Nächstes Jahr, übernächstes, in zehn Jahren?«
»Ich muß gehen«, sagte sie und stand auf. Er hielt ihre Hand fest, blickte ihr in die Augen, sah sie schweigend an.
»Wann sehen wir uns wieder?« fragte sie und löste sich aus seinem Griff.
»Am Sonntag?«
»Was ist morgen, oder am Samstag?« fragte sie.
»Morgen und übermorgen bin ich bei meiner Schwester in Karlsruhe. Sie erwartet ihr drittes Kind, und es sind nur noch zwei Wochen bis zum Termin. Ich will sie vorher noch einmal sehen.«
»In Ordnung, dann muß ich mir eben für das Wochenende etwas anderes vornehmen«, sagte sie und ging ins Bad. Sie ließ die Tür offen, er hörte das Rauschen des Wassers. Er legte sich aufs Bett, starrte in den riesigen Spiegel über ihm. Er grinste. Um zehn nach zwölf begleitete er sie nach unten. Zum Abschied küßte er sie, winkte ihr nach, als sie die Stufen zur Straße hinunterlief. Er sah ihr nach, wie sie in ihren Alfa Romeo stieg, das Verdeck öffnete, die Straße hinunterfuhr, kurz vor einer Ampel hielt, die gleich auf Grün sprang, und dann nach links abbog. Er ging zurück ins Haus, fuhr mit dem Aufzug nach oben, trank noch einen Whiskey, stellte die Stereoanlage an, hörte ein paar Takte Beethoven, schaltete wieder ab und ging zu Bett. Ihr unverkennbarer Duft hatte
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