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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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sich im ganzen Zimmer verteilt, es roch nach ihrem Parfüm, ihrer Haut, ihrem Haar. Um halb neun begann sein Dienst. Wenn er Glück hatte, konnte er etwa sieben Stunden schlafen.

Freitag, 0.45 Uhr
    Sie war müde und erschöpft von einem anstrengenden Tag; sie verspürte eine leichte, aber bohrende Übelkeit. Sie räumte noch ein paar Sachen vom Tisch, ging ins Bad, wusch sich, putzte die Zähne. Mit einem Mal begann sie zu würgen, hob den Klodeckel hoch und übergab sich. Ihre Augen tränten von der Anstrengung, sie drückte mit beiden Händen leicht auf den Magen, hoffte, erwürde sich beruhigen, statt dessen aber mußte sie erneut würgen und erbrach zähen, grünen Schleim. Sie betätigte die Spülung, schloß die Augen, sah kleine, helle Lichtblitze. Nach etwa zehn Minuten hörte der Würgereiz auf, sie drehte sich zum Waschbecken um, spülte den Mund mit kaltem Wasser aus, wusch sich den Schweiß vom Gesicht. Sie sah in den Spiegel und glaubte, eine alte Frau darin zu sehen. Sie holte eine Schachtel Tabletten aus dem Arzneischrank, nahm eine mit etwas Wasser. Die Tablette würde nicht nur die Übelkeit vertreiben, sie würde sie auch gut schlafen lassen. Sie verließ das Bad, löschte das Licht. Bevor sie sich hinlegte, nahm sie ihr Tagebuch, machte einige Eintragungen, nur ein paar Zeilen. Sie legte es zurück in die Nachtschrankschublade, legte sich aufs Bett, starrte an die Decke, faltete die Hände über dem Bauch. Einmal mehr fragte sie sich, was in ihrem Leben falsch gelaufen war, das noch so jung und doch schon so alt schien. Das Telefon klingelte, sie ging aber nicht mehr ran, der Anrufbeantworter schaltete sich nach dem zweiten Läuten ein. Sie hörte nicht, wer aufs Band sprach, aber es konnte nichts Wichtiges sein, nichts, das so wichtig war, daß sie jetzt noch aufstand. Sie sagte nur leise: »Vater, bitte hilf mir. Hilf mir, auch diese schwere Zeit durchzustehen. Du weißt, was richtig für mich ist, und nur du kannst mir helfen. Verlaß mich nicht, du bist der einzige, der mir helfen kann.«
    Sie drehte sich auf die Seite, rollte sich in die Bettdecke, versuchte, einzuschlafen. Eine Weile lag sie mit geschlossenen Augen, hörte ein Auto unter ihrem Haus vorbeifahren, Musik, die von irgendwoher kam. Sie schlief ein.
    Um halb drei wachte sie auf, sie war heiser, spürte dieses Kratzen im Hals, wußte, sie hatte wieder geschrien. Der Alptraum. Er ließ sie nicht los, seit sie ein kleines Kind war. Und sie hatte das Gefühl, als würde er von Mal zu Mal schrecklicher. Sie stand auf, holte sich eine Flasche Wasser aus der Küche, nahm sie mit ans Bett, drehte den Verschluß auf und trank in kleinen Zügen. DasKratzen ließ allmählich nach. Sie schaute um sich, stellte die Flasche neben das Bett, legte sich wieder hin. Sie hatte Mühe, einzuschlafen. Sie nahm das Fläschchen mit dem Valium aus der Schublade, schluckte fünf Tropfen mit etwas Wasser. Nach zehn Minuten schlief sie ein. Und als sie am Morgen aufwachte, fühlte sie sich, wie so oft, als hätte sie gar nicht geschlafen. Manchmal haßte sie dieses Leben.

Freitag, 6.50 Uhr
    Julia Durant wachte auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch das geöffnete Fenster fielen. Es war spät geworden letzte Nacht bei Hellmer und seiner Frau, und sie hatte Mühe gehabt, einzuschlafen. Sie wußte nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber es waren mit Sicherheit nicht mehr als fünf Stunden gewesen. Als sie nach Hause gekommen war, hatte sie noch ein Bier getrunken, eine Zigarette geraucht und sich um eins ins Bett gelegt. Sie hatte unerklärliche Träume gehabt, von denen sie zwar nicht wach geworden war, an die sie sich aber in jeder Einzelheit erinnerte. Merkwürdige, zusammenhanglose Träume, die wahrscheinlich bedeutungslos waren. Fast virtuelle Träume, in denen sie die einzelnen Personen wie per Mausklick einfach austauschen konnte.
    Sie blieb noch zehn Minuten liegen, bis der Wecker klingelte, stellte ihn aus, setzte sich langsam auf. Sie zog die Knie an, schlang die Arme darum, legte den Kopf darauf. Ein langer, anstrengender Tag lag vor ihr, ein Tag der Gespräche, ein Tag, der vermutlich keine sonderlich neuen Erkenntnisse über den Tod von Rosenzweig und Schönau bringen würde, außer, es geschah einer jener unglaublichen Zufälle, an die sie heute aber nicht glaubte. Man würde sich um diesen Hauser kümmern, würde versuchen, über die Staatsanwaltschaft eine Exhumierung seiner Leiche zu erreichen. Es würde nicht einfach werden, da

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