Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
in dieser Stadt. Ich habe es probiert, und immer hatte ich das Gefühl, als wäre mein Vater vorher dort gewesen, um dem Chef zu sagen, daß er mich unter keinen Umständen einstellen dürfe. Ich weiß, es klingt verrückt, und das ist es wahrscheinlich auch. Es ist, als ob ich gegen eine Gummiwand laufe.«
    »Sie sind doch aber noch so jung und vor allem intelligent. Es muß doch eine Möglichkeit geben …«
    Wieder lachte er auf, diesmal klang es resigniert. »Sicher gibt’s die, ich habe sie nur noch nicht gefunden. Wissen Sie, ich habe mein Abi gemacht, bin auf die Uni gegangen, um Germanistik zu studieren, was meinem alten Herrn alles andere als zugesagt hat. Er wollte, daß ich etwas Anständiges studiere, Mathematik oder Physik, oder Medizin wie Laura. Germanistik, sagte er, wäre etwas für Waschlappen und Tagträumer, für Leute, die meinen, man könnte damit vielleicht eines Tages Geld verdienen, indem man Gedichte oder Romane schreibt. Dabei wollte ich nichts anderesals Lehrer werden. Doch er hat gesagt, Lehrer wäre heutzutage kein Beruf mehr, man würde kein Geld dabei verdienen. Ich habe trotzdem meinen Kopf durchgesetzt und die Uni besucht. Nach nicht einmal zwei Semestern wollte er mit mir sprechen, er hat gesagt, er hätte das Gefühl, ich hätte mich verändert. Er hat mir eine lange Predigt über das Leben und über Gott und über meine Zukunft gehalten. Und er hat mich gefragt, warum ich nicht mehr in die Kirche käme. Worauf ich antwortete, ich hätte keine Lust mehr, ich habe ihm ins Gesicht gesagt, daß ich es leid wäre, ständig diese Heuchler um mich zu haben.« Er nahm einen letzten Zug von der Zigarette, drückte sie aus, schüttelte den Kopf. »Er ist aufgestanden, hat mich mit diesem eiskalten, stechenden Fink-Blick angeschaut und ist gegangen. Einen Tag später kam ein Brief, in dem er mir mitteilte, wenn ich mich nicht eines Besseren besinnen würde, müßte ich in Zukunft zusehen, wie ich allein zurechtkäme.« Fink seufzte kaum merklich auf, fuhr fort: »Ich habe es darauf ankommen lassen, habe ihn angerufen und ihm gesagt, ich wüßte sehr wohl, was gut für mich ist. Daraufhin habe ich ihn von einer andern, seiner wahren Seite kennengelernt. Er hat mir das Geld für das Studium gesperrt, ich mußte meine kleine Wohnung aufgeben, und er teilte mir unmißverständlich mit, ich sei aus seinem Testament gestrichen, selbst vom Pflichtteil würde ich nie auch nur einen Pfennig sehen. Ich hatte noch ein paar Mark auf dem Sparkonto, das war aber auch alles. Und es gab niemanden, der mir helfen konnte oder wollte. Laura hat selbst noch studiert, Stephan fing gerade an, seinen Lebensunterhalt als Maler zu verdienen.«
    Nach den letzten Worten verzog er verächtlich den Mund, machte eine krause Stirn, hob die Schultern, fuhr mit abfällig heruntergezogenen Mundwinkeln fort: »Dagegen hatte mein Vater komischerweise nichts, denn Stephan, mein lieber, guter Bruder Stephan, malt ganz besondere Bilder. Sie müssen wissen, er ist ja sooo unglaublich vergeistigt! Er malt Bilder, die Christus undden Himmel in all seiner Herrlichkeit zeigen, schöne, erhabene,
gott-
und
Fink
gefällige Bilder.« Bei dem letzten Satz lachte er wieder höhnisch auf, fuhr fort: »Er verdient zwar nicht viel damit, aber der Alte unterstützt ihn, wo es nur geht. Er steckt ihm die Scheine in den Arsch, und mein lieber Bruder läßt es sich gut gehen. Er hat ein schickes kleines Haus, eine nette Frau und ein Kind, und er kann tun und lassen, was er will. Schließlich arbeitet er ja für Gott … Wie immer Sie das auslegen möchten.« Er hielt kurz inne, sah auf seine Hände, sagte: »Tja, aber ich bin hier gelandet, lebe von Sozialhilfe und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Dabei bin ich erst achtundzwanzig Jahre alt. Und glauben Sie mir, ich würde gerne arbeiten … Und das könnte ich wohl auch, wenn ich Buße tun und in Sack und Asche zu meinem alten Herrn zurückkriechen würde. Aber den Gefallen werde ich ihm nicht tun. Eher verrecke ich.«
    Es verstrich eine Weile, ohne daß ein Wort fiel. Schließlich sagte die Kommissarin: »Herr Fink, es tut mir leid, was geschehen ist. Aber könnten Sie sich vorstellen, wer Ihrem Vater einen Drohbrief schickt, in dem er ihn auf seine Vergangenheit anspricht? Ich habe gestern bei Ihrer Schwester mit ihm gesprochen. Er hat Angst. Er will aber nichts über seine Vergangenheit sagen.«
    Fink lachte erneut auf, erhob sich, stellte sich ans Fenster. Er schaute hinunter auf die

Weitere Kostenlose Bücher