Letale Dosis
werde auch ich endlich meinen Frieden finden. Und niemand wird je hinter mein Geheimnis kommen.
Es gab niemanden mehr, dem sie vertraute, und sie würde auch nie wieder irgendwem etwas über sich preisgeben. Zumindest keinem Mann. Sie würde sich, wenn sie das Bedürfnis danach hatte, einen fürs Bett suchen, doch nie würde jemals wieder einer in ihrem Haus übernachten. Sie würde es machen wie vergangene Nacht; sich ansprechen lassen, keine Namen, keine Adressen, nur vögeln und verschwinden.
Sie schaute auf ihre Armbanduhr von Cartier, ein Geschenk von Schönau, nickte, ging ins Haus. Sie aß einen Apfel und eine Banane, trank ein Glas Orangensaft. Noch einmal ging sie die nächsten Stunden durch, dachte daran, daß sie allen ein Schnippchen geschlagen hatte. Ihr Plan war von Anfang an so gut durchdacht gewesen, daß niemand jemals darauf kommen würde, sie mit den Morden in Verbindung zu bringen. Sie lächelte süffisant, dachte,
Es müßte schon ein Wunder geschehen, damit ihr es herausfindet. Aber ihr kriegt mich nicht, denn es gibt keine Spur, die zu mir führt, denn ich habe sie alle verwischt und euch in die Irre geführt. Und in ein paar Jahren werdet ihr die Akten schließen und sie in irgendeinem Schrank verschwinden lassen.
Sie ging zum Schrank, holte die Spritze hervor, betrachtete sie eine Weile mit verklärter Miene, die gelblich-braune Flüssigkeit, die Fink bald zum Verhängnis werden würde. Sie steckte sie in die Handtasche, rauchte eine letzte Zigarette, bevor sie das Haus verließ.
Du bist der letzte,
dachte sie, schüttelte den Kopf, lächelte abermals, verbesserte sich,
nein, du bist das letzte.
Um halb fünf ging sie zu ihrem Alfa Romeo, öffnete das Dach, setzte sich auf die weichen Lederpolster. Sie steckte den Schlüssel ins Schloß, startete den Motor. Er würde sie schon sehnlichst erwarten, denn er konnte nicht genug von ihr bekommen. Seine Frau war ihm ja schon lange nur noch ein lästiges Anhängsel. Es war so einfach, viel einfacher, als sie es sich vorgestellt hatte. Anfangs hätte sie nicht für möglich gehalten, daß all die ach so honorigen Brüder so schnell schwach werden würden. Aber siewaren eben nur Männer.
Ihr denkt nur mit eurem Schwanz, nur mit eurem gottverdammten, dreckigen Schwanz!
Sie lenkte den Alfa aus dem Wohnviertel, stand wegen eines Unfalls einige Minuten am Sindlinger Kreisel. Sie hatte es nicht eilig, sie wußte ja, daß er wartete.
Montag, 16.50 Uhr
Kullmer und seine beiden Kollegen waren zurück vom St. Valentius Krankenhaus, saßen in Bergers Büro und erstatteten Bericht. Kurz nachdem Kullmer begonnen hatte, stießen Durant und Hellmer zu ihnen und hörten zu.
»Also«, sagte Kullmer, der lässig auf dem Stuhl saß und dabei Durant ansah, »noch mal von vorn. Petrol war dreiundvierzig Jahre alt, ledig und, wie einige Mitarbeiterinnen im Krankenhaus sagen, bisweilen ein echter Macho. Allerdings konnten wir über sein Privatleben nichts von Bedeutung herausfinden, weder, ob er eine Freundin oder gar eine feste Beziehung hatte, noch ob er vielleicht sogar homosexuelle Neigungen hatte …«
»Hatte er nicht«, unterbrach ihn Durant, »ein Kerl wie der ist nicht schwul. Außerdem würde es nicht in das Bild passen. Rosenzweig, Schönau und Hauser waren allesamt verheiratet, und zumindest die ersten beiden führten eine nach außen hin glückliche Ehe. Nein, Petrol war nicht schwul.«
Hellmer grinste verstohlen, zündete sich eine Marlboro an. Er stand an die Tür gelehnt, die Arme über der Brust verschränkt.
»Okay, er war also nicht schwul, aber das macht auch keinen Unterschied. Seine Karriere liest sich zwar nicht ganz so sensationell wie die von Hauser, aber mit dreiundvierzig Chefarzt einer derart großen Klinik zu sein, ist schon bemerkenswert …«
»Was ist das genau für eine Klinik?« wollte Berger wissen.
»St. Valentius ist eine psychiatrische Einrichtung. Eine der größtenim Rhein-Main-Gebiet und im Rheingau. Die meisten Patienten sind psychisch ziemlich angeschlagen, manche verbringen ihr ganzes Leben dort, andere bleiben nur ein paar Tage. Es gibt geschlossene und offene Abteilungen, na ja, was man eben in einer Klapsmühle so findet.«
»Und was sagt seine Sekretärin über ihn?« fragte Durant. »Er hat doch sicherlich eine, oder?«
»Na, logisch. Sie hatte, wie sie selbst sagte, ein recht neutrales Verhältnis zu ihm. Er war ihr Chef, er war umgänglich, meist ganz gut gelaunt und sie konnte auch sonst nichts Negatives
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