Letale Dosis
über ihn berichten. Sie fand nur, daß er es manchmal mit seinem Äußeren etwas übertrieb, sie hängt wohl noch der antiquierten Vorstellung an, ein Chefarzt müsse immer im feinen Zwirn und möglichst mit Hornbrille rumlaufen.« Kullmer hielt inne, schlug eine Seite seines Blocks um.
»Und, war das alles?«
»Nein, aber das Wesentliche. Wir haben uns kreuz und quer durchs Krankenhaus gefragt, aber keiner konnte irgendwelche Auffälligkeiten bei Petrol feststellen. Er war der Chef, er trat niemandem auf die Füße, er war durchsetzungsfähig, entscheidungsfreudig und wohl eher beliebt.«
»Und was ist mit seinem Büro? Habt ihr euch da mal umgeguckt?«
»Klar. Aber wonach hätten wir suchen sollen? Wir haben seinen Terminkalender durchgeblättert, seinen Notizblock, in seinem Schreibtisch nachgesehen und ein bißchen an seinem Computer rumgespielt. Aber das Ergebnis war gleich null. Tut mir leid. Wir hatten uns von diesem Tag auch mehr versprochen.«
»Scheiße«, quetschte Durant durch die Zähne. »Ihr seid auf keinen Namen gestoßen, der auf unserer Liste steht? Keine Reich, keine Jung, keine Schönau, keine Rosenzweig? Oder Neumann, Wagner? Keine von denen?«
Kullmer schüttelte bedauernd den Kopf. »Kein bekannter Name,weder im Computer noch im Terminkalender, noch irgendwo in seinem Schreibtisch. Nur ein Foto haben wir gefunden, von dem uns aber keiner sagen konnte, wer da drauf ist.«
»Habt ihr es mitgebracht?« fragte Durant gespannt.
»Hier«, sagte Kullmer und holte ein Foto aus der Innentasche seiner Lederjacke. Er gab es der Kommissarin. Sie nahm es, warf einen langen Blick darauf, reichte es wortlos an Hellmer weiter. Sie sah ihn kurz an, nickte kaum merklich.
»Dann tun Sie Ihre Arbeit und finden Sie heraus, wer das ist«, sagte Durant leicht gereizt. »Das ist doch kein Phantombild, da sind eine Frau und drei Kinder drauf. Was, wenn sie etwas damit zu tun hat?«
»Die?« fragte Kullmer mit heruntergezogenen Mundwinkeln. »Also, ich bitte Sie, die hat doch mit Sicherheit in ihrem ganzen Leben noch mit keinem andern Mann gebumst außer mit ihrem eigenen. Wenn sie denn einen hat. Die hat mindestens dreißig Kilo Übergewicht und ist ganz sicher nicht die Frau, mit der sich Typen wie Schönau oder Rosenzweig einlassen würden. Vielleicht ist sie ja seine Schwester?«
»Ja, und, worauf warten Sie? Ich will so bald wie möglich alles über Petrol wissen. Wenn’s geht, heute noch.«
»Moment, dürfen wir uns vielleicht ein paar Minuten ausruhen?« fragte Kullmer ebenso gereizt zurück. »Sie tun ja gerade so, als wenn diese Frau der Schlüssel zu allem ist.«
»’tschuldigung, war nicht so gemeint. Lassen Sie sich Zeit. Ich wollte sowieso noch mal zu Fink fahren und ihn wegen seines Vaters befragen. Auch wenn ich nicht glaube, daß diese Nazisache irgendwas mit unsern Morden zu tun hat.«
»Nazisache?« fragte Kullmer und rieb sich übers Kinn. »Hab ich was verpaßt?«
»Lassen Sie es sich von Hellmer erklären, ich mach mich auf den Weg.« Sie nahm ihre Tasche, sagte: »Ach, Frank, könntest du mal kurz mit rauskommen? Es geht um was Privates.«
Sie gingen einige Meter über den Flur, bis Durant stehenblieb und Hellmer direkt ansah. »Das Foto ist genau das, das er mir gezeigt hat. Angeblich seine Frau, von der er sich scheiden lassen wollte. Wahrscheinlich hat er es allen seinen Liebschaften gezeigt … Oder auch nicht.«
»Und was machst du bei Fink? Was ist, wenn er gar nichts über die Vergangenheit seines Vaters weiß?«
»Na und, dann werde ich es ihm brühwarm servieren. Dieser Arsch kann mich mal!«
»Paß auf, was du sagst. Fink kann im wahrsten Sinn des Wortes ein Arsch sein.«
»Interessiert mich nicht. Ich bin heute einfach nur nicht gut drauf. Soll vorkommen, oder?« sagte sie schnippisch.
»Mach’s gut. Und du kannst ja mal heute abend anrufen.«
»Mal sehen. Ciao.«
Montag, 17.35 Uhr
Julia Durant hielt gerade vor Finks Haus, als er zur Tür heraus kam. Er bot einen ungewöhnlichen Anblick, er trug Jeans und ein kurzärmeliges Hemd. Sie ging auf ihn zu, er roch nach einem herben, sehr männlichen Parfüm. Er musterte sie mit kaltem Blick, sagte mit arroganter Stimme: »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
»Ich wollte mich eigentlich kurz mit Ihnen unterhalten. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich übrig?«
»Ich bin in Eile. Ein wichtiger Termin, wenn Sie verstehen … Aber gut, wenn es nicht länger als fünf Minuten dauert. Kommen Sie
Weitere Kostenlose Bücher