Letale Dosis
zumindest nicht alle. Ein paar schon, aber deswegen würde ich sie nicht umbringen. Und wenn ich es täte, dann bestimmt auf eine andere Weise. Ich würde sie einfach erschießen oder erstechen, aber bestimmt nicht vergiften. Und sparen Sie sich Ihre nächste Frage – ja, ich habe oder hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Rosenzweig und Schönau. Auch zu Fink, der es möglich gemacht hat, daß meine Tochter anstatt bei mir bei meinem Exmann lebt, der gar nicht ihr leiblicher Vater ist, der sie mir aber weggenommen hat, um sich an mir zu rächen für die Schande, die ich über die Familie gebracht habe. Aber wenn Sie’s genau wissen wollen, Fink hat mir einen Deal angeboten. Ich habe fünfhunderttausend Mark erhalten, nicht von meinem Ex, sondern aus der Privatschatulle von Fink oder Schönau oder Rosenzweig, oder von allen dreien zusammen. Ich wurde nicht aus der Kirche ausgeschlossen, ich mußte mich aber verpflichten, den Mund zu halten, denn hätte ich es nicht getan, wäre der liebe Herr Schönau ganz schön blamiert gewesen. Und seine beiden Kumpane auch. Die werten Herren haben sich gegenseitig gedeckt. Was weiß ich, was Rosenzweig oder Fink in ihrem Leben so alles angestellt haben! Aber es ging ja nicht an, daß wegen einer kleinen Hure wie mir die ganze Kirche in Verruf geriet! … Sie haben also zähneknirschend in den Tresor gegriffen und gesagt, ich solle dasGeld nehmen und mich einfach nur ruhig verhalten. Natürlich wollten sie den Deal schriftlich bestätigt haben, ein Gefallen, den ich ihnen gern getan habe, schließlich ist eine halbe Million kein Pappenstiel. Und ich wurde sogar noch befördert, habe eine geradezu fürstliche Gehaltserhöhung gekriegt, von der ich mir einiges leisten kann … Wissen Sie was, es ist mir scheißegal, was mit Rosenzweig und Schönau passiert ist, ich weine ihnen jedenfalls keine Träne nach. Zufrieden?«
»Hatten Sie nach Ihrer damaligen Affäre mit Schönau noch einmal sexuellen Kontakt mit ihm?«
»Um Himmels willen, nein! Diesen Drecksack hätte ich nicht mal mit einer Pinzette angefaßt. Das gleiche gilt für Rosenzweig und Fink, überhaupt für die meisten Männer in der Kirche. Ich würde mir nicht noch einmal an einem von diesen widerlichen Typen die Finger verbrennen. Dieser bigotte, verlogene Haufen kann mir gestohlen bleiben.« Sie stockte, rieb sich über die Handfläche, grinste auf einmal hämisch, sagte: »Halt, da fällt mir was ein. Mich hat am Mittwoch doch jemand gesehen. Ich kam so gegen Viertel nach sechs, halb sieben nach Hause und da hat mir mein Nachbar, ein gewisser Herr Müller, ein Paket in die Hand gedrückt, das am Morgen für mich abgegeben worden war. Fragen Sie ihn. Er wird es Ihnen bestätigen. Ein sehr liebenswürdiger, hilfsbereiter Mann.«
Durant blickte Hellmer an, der nicht wußte, wie er sich verhalten sollte.
»In Ordnung, wir werden Ihre Angaben überprüfen. Eine letzte Frage noch – wie lange brauchen Sie von der Bank nach Hause?«
»Ungefähr eine halbe Stunde, es hängt vom Verkehr ab. Kann ich jetzt gehen?« fragte sie mit einem beinahe maliziösen Lächeln, das ausdrückte, was sie für die Beamten empfand. Auf jeden Fall hatte sie gewonnen.
»Bitte, die Tür ist offen. Aber halten Sie sich trotzdem zu unserer Verfügung.«
Nachdem Rita Jung gegangen war, zündete sich Julia Durant eine Zigarette an, schwieg einen Moment, sagte dann: »Scheiße, das war wohl nichts. Und ich war mir so sicher.«
»Es war zumindest einen Versuch wert«, versuchte Hellmer sie zu trösten. »Komm, gehen wir ins Büro und bringen den Rest des Tages hinter uns. Kullmer müßte eigentlich schon zurück sein. Mal sehen, was der zu berichten hat. Und du kannst dir schon mal überlegen, wohin wir essen gehen. Nadine ist doch sicher auch eingeladen«, sagte er grinsend.
»Haha. Keine Angst, mir wird schon was einfallen.«
Montag, 16.45 Uhr
Sie hatte geduscht, sich umgezogen, frisches Make-up aufgelegt, ein Telefonat geführt. Dann ging sie ins Wohnzimmer, schaltete den Fernsehapparat ein und kurz darauf wieder aus, öffnete die Terrassentür und ging hinaus in den Garten, der jetzt, nachdem es fast drei Tage bewölkt gewesen war und viel geregnet hatte, in helles Sonnenlicht getaucht war. Sie betrat den Rasen, blieb stehen, zündete sich eine Zigarette an und genoß die wärmenden Strahlen der Sonne auf ihrem Gesicht und ihren nackten Armen. Es waren nur noch vereinzelt ein paar Wolken zu sehen, die Temperatur stieg mit jeder Minute an.
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