Letale Dosis
an den Schrank, öffnete das Barfach, holte die Flasche Cognac heraus, schenkte sich ein. Dann zündete sie sich eine Zigarette an, löschte das Licht, stellte sich ans Fenster und blickte hinaus auf den im Dunkeln liegenden Garten. Sie dachte an die vergangene Woche und daran, daß ihr nichts von dem leid tat, was sie getan hatte. Es gab nichts, wofür sie sich entschuldigen müßte, sie hatte nur vollbracht, wofür andere zu feige waren. Ihr Hunger nach Rache war gestillt.
Sie genoß den Cognac und die Zigarette. Um halb eins legte sie sich nackt ins Bett, blieb auf dem Rücken liegen, der Königsstellung, wie man sagte, die Arme an der Seite ausgestreckt, die Beine eng beieinander. Sie schloß die Augen und schlief ein. Sie hatte es geschafft.
Dienstag, 7.45 Uhr
Julia Durant fühlte sich ausgeruht, trotz der nur fünf Stunden Schlaf. Als sie im Präsidium ankam, waren Berger und Kullmer sowie einige weitere Beamte, die mit den Ermittlungen beschäftigt waren, schon da.
»Also hat es Fink doch noch erwischt«, murmelte Berger, kaum daß Durant das Büro betreten hatte. »Wie konnte das passieren?«
»Es war seine eigene Schuld. Er hat mir gestern gesagt, er würde sich mit einem Bruder aus der Gemeinde treffen, was eine glatte Lüge war. Und wenn er uns in einer derart kritischen Situation anlügt, können wir ihm nicht helfen. Haben die Kollegen schon irgendwelche Fotos parat?«
»Sie sind gerade auf dem Weg hierher. Glauben Sie wirklich, diese Reich hat etwas damit zu tun?«
»Glauben«, sie zuckte die Schultern, »glauben tue ich gar nichts. Es ist nur eine vage Vermutung.«
»Und wie sind Sie zu dieser Vermutung gekommen, wenn man fragen darf?«
»Das Ganze mag sich irrwitzig anhören, aber ich habe gestern abend mit meinem Vater telefoniert und mit ihm über einige Details gesprochen. Unter anderem habe ich erwähnt, daß wir immer noch nicht wissen, wie das Gift in Rosenzweigs Haus gelangt ist. Ich weiß nicht, wie wir drauf kamen, jedenfalls hat er mich gefragt, ob die Reich auch Hypnosetherapien macht. Ich sagte ja, weil sie es mir selbst gesagt hatte, woraufhin mein Vater meinte, das könnte doch unter Umständen die Lösung sein. Eine Patientin, die von ihrer Therapeutin mittels eines hypnotischen Befehls manipuliert wird, die Flaschen zu vertauschen …«
»Das würde bedeuten, Frau Rosenzweig hat ihrem Mann das Gift untergejubelt?«
»Ja und nein, wenn wir von dieser Theorie ausgehen. Sie hat esgetan, aber nicht bewußt. Es war, wenn überhaupt, ein Befehl, den sie wie ein Roboter ausführte.«
»Klingt wirklich etwas absurd …«
»Sicher, aber nach dem Gespräch mit meinem Vater habe ich bei Frau Rosenzweig angerufen und sie gefragt, ob die Reich bei ihr auch Hypnose anwendet. Und sie hat es bestätigt. Ich habe sie natürlich gebeten, niemandem, vor allem der Reich nichts von unserem Gespräch zu erzählen, was sie mir auch versprochen hat. Warum sind wir bloß nicht früher darauf gekommen?«
»Weil wir auch nur Menschen sind«, sagte Kullmer, der wie immer lässig und kaugummikauend auf seinem Stuhl hockte.
»Aber ich hätte drauf kommen müssen, spätestens, als die Reich mir sagte, daß sie unter anderem Hypnose als Therapieform anbietet. Warten wir einfach ab. Solange wir keine handfesten Beweise haben, können wir überhaupt nichts unternehmen.«
»Und wie soll es Ihrer Meinung nach jetzt weitergehen?« fragte Berger.
»Wir werden uns das beste Foto raussuchen und es allen zeigen, mit denen wir bisher gesprochen haben, mit Ausnahme der Mitglieder der Kirche natürlich. In Rosenzweigs Firma, in der Schönau Bank, im St. Valentius Krankenhaus … Sollte allerdings niemand die Frau kennen, sind wir, auf deutsch gesagt, ganz schön angeschissen. Trotzdem, ich will alles wissen, was die Reich gemacht hat, von ihrer Geburt an. Ich will wissen, wo sie herkommt, wer ihre Eltern sind, wie lange sie der Kirche angehört, einfach alles. Wir brauchen einen lückenlosen Lebenslauf von ihr. Und vielleicht stoßen wir da ja schon auf ein paar Ungereimtheiten.« Sie machte eine Pause, zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich zurück und blickte in die Runde. »Also, Männer, an die Arbeit. Und sobald die ersten brauchbaren Fotos fertig sind, machen Kullmer, Hellmer und ich uns auf den Weg zum St. Valentius Krankenhaus. Ich will diesen verdammten Fall gelöst haben. Und noch was – ich will nicht nur alles über die Reich wissen,sondern endlich auch über Petrol. Sein Leben von Geburt an,
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