Letale Dosis
dran ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber wie heißt es doch so schön, in jedem Gerücht steckt ein Körnchen Wahrheit.«
»Könnten Sie vielleicht noch etwas deutlicher werden? Hatte Dr. Rosenzweig vielleicht ein Verhältnis mit einer Kollegin? Mit Frau Neumann?«
Frau Gröben zog die Stirn in Falten, lächelte vielsagend und sagte:»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wie gesagt, es sind nur Gerüchte.«
»In Ordnung, dann wollen wir auch nicht auf Gerüchte hören. Wie mir gesagt wurde, kommt Dr. Köhler schon morgen aus London zurück. Wie kam er mit Rosenzweig aus? Schließlich waren sie Partner.«
»Fragen Sie ihn selbst, wenn er wieder da ist. Ich möchte nicht für ihn sprechen.«
»Gut, dann habe ich im Moment keine weiteren Fragen. Ich wünsche noch einen schönen Tag, und ich oder einer meiner Kollegen werden morgen noch einmal reinschauen.« Julia Durant stand auf und verließ das Büro. Hellmer und Kullmer standen auf dem Gang und unterhielten sich leise.
»Kommt, laßt uns gehen und draußen eine Bilanz ziehen. Mal sehen, ob eure genau so ausfällt wie meine.«
Dienstag, 15.30 Uhr
Sie bestiegen den Aufzug, fuhren ins Erdgeschoß und traten ins Freie, wo die Hitze sie wie ein Keulenschlag traf.
»Also«, begann die Kommissarin, »was haben eure Befragungen ergeben?«
Hellmer zündete sich eine Marlboro an, inhalierte und stieß den Rauch durch die Nase aus. Er machte ein abschätzendes Gesicht, sagte: »Von wegen Heiliger! Wenn es stimmt, was seine Angestellten über ihn sagen, dann war Rosenzweig ein eiskalter Geschäftsmann. Aber er war angesehen. Auf jeden Fall scheint er aber genau das Gegenteil von dem gewesen zu sein, was die Leute aus seiner Kirche über ihn sagen. Die Frage ist nur, ob wir damit auch ein Mordmotiv haben.«
»Und Sie?« fragte Julia Durant an Kullmer gewandt.
»Genau das gleiche. Im Prinzip war Rosenzweig der bestgehaßteMann in seiner Firma. Details waren aber aus den Leuten nicht rauszukriegen.«
»Habt ihr irgendwas von einem Gerücht gehört, nachdem Rosenzweig ein Verhältnis gehabt haben soll?«
»Nein«, sagte Hellmer und schüttelte den Kopf. »Warum fragst du?«
»Weil zwei der Sekretärinnen von einem solchen Gerücht gesprochen haben. Nur wollten sie keinen Namen nennen, weil es eben nur ein Gerücht sei. Doch ich erinnere an Frau Rosenzweig, die uns gestern abend klipp und klar zu verstehen gegeben hat, daß Ehebruch gleich hinter Mord käme und unweigerlich mit Ausschluß aus der Kirche geahndet würde, es sei denn, der Sünder bekennt seine Tat öffentlich. Was aber, wenn Rosenzweig nicht der moralische Saubermann war, als der er sich nach außen hin dargestellt hat? Zumindest in der Kirche? Ach ja, bevor ich’s vergesse, ein Saubermann war er ohnehin nicht, denn vor vier Jahren hat er, als seine Firma kurz vor dem Konkurs stand, einige Millionen am Finanzamt vorbei nach Luxemburg geschafft und so das Unternehmen vor dem Ruin gerettet. Und jetzt ratet mal, wer die Hausbank von
Rosenzweig & Partner
ist? Die
Schönau Bank
, dessen Vorsitzender und Inhaber der ehrenwerte Walter Schönau persönlich ist. Jener Walter Schönau, den wir heute morgen bei Frau Rosenzweig angetroffen haben. Ich möchte wetten, daß auch er bei dieser illegalen Transaktion seine Finger im Spiel hatte. Und ich bin gespannt, was Schönau zu sagen hat, wenn ich ihm ein bißchen fester auf den Zahn fühle.«
Hellmer nahm einen letzten Zug an seiner Zigarette und ließ sie auf den Bürgersteig fallen. »Du meinst, Schönau deckt seinen Freund Rosenzweig? Oder er hat gar gemeinsame Sache mit ihm gemacht? Das würde dann allerdings in der Kirche wie eine Bombe einschlagen. Nur bräuchten wir handfeste Beweise, daß sowohl Rosenzweig als auch Schönau Dreck am Stecken haben. Und die zu beschaffen, wird schwer werden.« Er blieb stehen,fuhr sich mit der rechten Hand über das Kinn, sagte, nachdem auch die beiden andern stehengeblieben waren: »Außerdem suchen wir doch eigentlich nach einem Mörder und nicht nach Beweisen für Rosenzweigs mangelnde Integrität.«
»Ach komm, diesen kleinen Spaß gönnen wir uns zwischendurch. Ich bin ziemlich sicher, der Fall wird so oder so bald gelöst sein.«
»Wenn du meinst«, sagte Hellmer, und Kullmer fügte hinzu: »Ich will Ihnen ja keinen Dämpfer versetzen, aber was ist, wenn das, was man über Rosenzweig sagt, schlicht und ergreifend gelogen ist? Sie wissen doch, es gibt viele Neider, wenn man erfolgreich ist. Und ein paar von
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