Letale Dosis
das Brot stellte sie in den Vorratsschrank, in dem sich außer vier Dosen Thunfisch nichts befand.
Sie ging ins Bad, ließ Wasser einlaufen, prüfte die Temperatur und begab sich zurück in die Küche, um das Geschirr vom Vortag und das vom Frühstück zu spülen. Als sie fertig war, schaute sie nach dem Wasser, goß den Rest vom Schaumbad dazu, warf die leere Flasche in den Abfalleimer, räumte das Wohnzimmer auf, in dem verstreut Unterwäsche, Blusen, eine Jeans und Schuhe lagen, die sie bis auf die Jeans und die Schuhe in den jetzt überquellenden Wäschekorb schmiß, zuletzt leerte sie den Aschenbecher, wischte mit einem Tuch darüber, warf drei leere Bierdosen in den Abfallkorb und stellte den Aschenbecher zurück auf den Tisch. Sie drehte das Wasser ab, ging ins Schlafzimmer, machte das Bett und öffnete das nach Norden gerichtete Fenster, sah sich noch einmal kurz um und fand, sie hätte für heute ihren hausfraulichen Pflichten Genüge getan, holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank, riß den Verschluß auf und trank sie in großen Schlucken bis zur Hälfte leer. Sie nahm die Dose mit ins Bad, stellte sie auf den Wannenrand und entkleidete sich. Als sie nackt war, warf sie einen langen Blick in den Spiegel, fand sich bis auf den Bauch einigermaßen ansehnlich und stieg in die Wanne. Sie lehnte sich zurück, das Wasser tat ihr gut, sie schloß die Augen, griff blind nach dem Bier und nippte jetzt nur noch daran, bis die Dose leer war. Sie warf einen Blick auf die kleine Quarzuhr neben dem Waschbecken, Viertel vor sieben. Sie wusch sich, blieb noch fünf Minuten im Wasser sitzen, bevor sie aus der Wanne stieg und sich abtrocknete. Sie sprühte sich etwas Deo unter die Achseln, legte einen Hauch von Lippenstift auf, zog frische Unterwäsche und eine kurze Hose an, die ihre braunen Beine sehr vorteilhaft zur Geltung brachte, danach ein eng geschnittenes, weißes Oberteil, das ihren Busen wie eine zweite Haut umspannte. Sie bürstete ihr dunkles, halblanges Haar, warf einen letzten Blick in den Spiegel. Sie nickte zufrieden, bis auf die leichten Ränder unter den Augen war sie mit ihrem Aussehen zufrieden.
Sie ging in die Küche, schnitt vier Scheiben Brot ab, schmierte dünn Butter darüber und belegte die Scheiben mit Salami, Gouda und Thunfisch, schnitt zwei Tomaten klein, die sie zusammen mit ein paar Cornichons und Zwiebelringen auf einen Extrateller legte. Sie stellte zwei Teller auf den Wohnzimmertisch, legte Messer und Gabel dazu, anschließend schaltete sie den Fernseher ein. Der Wetterbericht war der gleiche wie seit Tagen, Hitze am Tag, wolkenloser Himmel und schwülwarme Nächte. Sie drückte Kanal einunddreißig, MTV. Sie ging noch einmal in die Küche, holte einen Topf aus dem Schrank, schüttete die Tomatensuppe mit Nudeln und Klößchen hinein und dazu noch einmal die gleiche Menge Wasser. Sie verrührte alles mit einem Schneebesen und stellte den Topf auf den Herd. Sie wollte sich gerade setzen, als das Telefon erneut klingelte.
»Durant.«
»Hallo, Julia, hier ist dein Vater. Wie geht es dir?«
Sie lehnte sich zurück, legte die Beine auf den Tisch, antwortete: »Es geht. Ich habe in den letzten Tagen ein paarmal versucht, dich zu erreichen, aber …«
»Ich war verreist. Du kennst mich doch, seit ich nicht mehr arbeite und allein in diesem Haus lebe, muß ich einfach ab und zu raus. Und jetzt wollte ich mich eigentlich nur zurückmelden. Das nächste Mal sage ich Bescheid, bevor ich wegfahre. Versprochen.«
»Du solltest es lieber nicht versprechen, denn ich kann mich erinnern, dieses Versprechen nicht zum ersten Mal zu hören«, sagte sie grinsend. »Wo warst du denn?«
»Eine Woche Nordsee. Das Wetter hätte zwar besser sein können …«
»Hör mir auf mit diesem verdammten Wetter. Ich kann die Hitze hier bald nicht mehr ertragen. Und da oben war es kühl?« fragte sie zweifelnd.
»Kühl, und ab und zu hat es geregnet. Aber nun zu dir, was macht die Arbeit?«
Durant seufzte auf, steckte sich eine Gauloise an. »Es ist schon komisch, aber du fragst mich jedesmal dann nach meiner Arbeit, wenn gerade etwas passiert ist. Hast du einen sechsten Sinn?«
»Vielleicht. Aber was ist denn passiert?«
»Du weißt ja, eigentlich dürfte ich mit dir gar nicht darüber sprechen, aber ich weiß auch, daß du es für dich behältst. Na ja, gestern abend ist so ein reicher Typ auf eine recht merkwürdige, um nicht zu sagen, perverse Weise ums Leben gekommen. Auch wenn wir Selbstmord nicht ganz
Weitere Kostenlose Bücher