Letale Dosis
müssen.«
Claudia Neumann zuckte nur die Schultern, die Kommissarin verließ Rosenzweigs Büro wieder. »Aber abschließen können Sie das Büro doch, oder?«
»Nein«, erwiderte Claudia Neumann verlegen lächelnd, »auch dafür habe ich keinen Schlüssel.«
»Und wer garantiert mir, daß heute oder morgen früh keiner das Büro betritt?«
»Ich. Bevor ich das Haus verlasse, schließe ich meine Tür ab, und nur ich habe einen Schlüssel dafür.«
»Haben Sie mal ein Blatt Papier für mich? Ich möchte nur kurz etwas schreiben und es an die Tür von seinem Büro kleben und zwar mit Uhu oder einem Pritt-Klebestift. Das ist so gut wie ein Siegel.«
Sie schrieb ›
Polizeisiegel, Betreten verboten, Julia Durant, Hauptkommissarin
‹, gab auf vier Ecken des Papiers etwas Klebstoff und befestigte eine Hälfte am Rahmen, die andere an der Tür.
»So, das müßte genügen. Wenn Sie mich jetzt bitte zu Herrn Kastner bringen würden.«
Kastner saß hinter seinem Schreibtisch und machte von Hand ein paar Notizen. Er blickte auf, als die beiden Frauen sein Büro betraten.
»Herr Kastner, das ist Kommissarin Durant von der Kripo. Sie würde sich gerne mit Ihnen unterhalten.«
»Selbstverständlich«, sagte Kastner und schoß von seinem Stuhl hoch. Julia Durant schätzte ihn auf Anfang Vierzig, er war eher klein, hatte aber eine jugendliche Ausstrahlung, trug Jeans und ein kurzärmeliges, weißes Hemd, dessen zwei oberste Knöpfe offenstanden. Er kam hinter seinem Schreibtisch hervor und reichte der Kommissarin die Hand. Das einzige, was ihr negativ auffiel, waren seine Augen, die etwas Verschlagenes hatten, und der seltsame Geruch im Raum, eine Mischung aus Alkohol und Zigaretten.
»Kastner. Wenn Sie bitte Platz nehmen wollen«, sagte er mit leicht geröteten Wangen. Claudia Neumann machte kehrt und schloß die Tür hinter sich.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er. »Es ist wirklich furchtbar, daß …«, er schüttelte den Kopf.
Julia Durant machte ein ernstes Gesicht, sagte: »Sicher ist es das, doch Sie brauchen sich nicht zu verstellen, denn nach dem, was ich bereits erfahren habe, war Rosenzweig nicht sonderlich beliebt.«
Kastner errötete noch mehr, räusperte sich, versuchte sich locker zu geben, doch es gelang ihm nicht. »Aber ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen. Seit wann arbeiten Sie für Rosenzweig & Partner?«
»Seit zwölf Jahren.«
»Und wie war Ihr Verhältnis zu Dr. Rosenzweig?«
»Ich hatte kein Verhältnis zu ihm. Tut mir leid, das sagen zumüssen, doch Rosenzweig und ich sind uns aus dem Weg gegangen, soweit das möglich war. Das heißt, ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Manchmal ließ es sich aber leider nicht vermeiden, daß wir aneinandergeraten sind.«
»Und wie sah dieses Aneinanderraten aus? Haben Sie mit ihm gestritten, diskutiert, sind laute Worte gefallen?«
»Mit Rosenzweig zu diskutieren war praktisch unmöglich. Er ließ keine andere Meinung gelten als die eigene. Wenn Sie wissen wollen, wie ein Tyrann aussieht, dann brauchen Sie nur Rosenzweig zu nehmen. Er war das Abbild eines Tyrannen«, sagte Kastner verächtlich. »Ganz im Gegensatz zu seinem Kompagnon, Dr. Köhler. Mit dem kann man immer reden.«
»Wenn Sie mit Rosenzweig gestritten haben, worum ging es dann meistens?«
Kastner zuckte die Schultern, blickte an Durant vorbei zur Wand. Er zögerte einen Moment, schließlich sagte er: »Ich bin vor zwölf Jahren in dieses Unternehmen gekommen, um die Personalabteilung zu übernehmen. Als Rosenzweig das Einstellungsgespräch mit mir geführt hat, machte er einen freundlichen, großzügigen Eindruck. Doch das sollte sich schnell ändern. Kaum hatte ich hier angefangen, hat er an fast allem herumkritisiert, was ich tat. Dabei lag die Entscheidung, wer eingestellt wurde oder nicht, im wesentlichen bei mir. Oder auch, wer gehen mußte. Natürlich mußten bei wichtigen Einstellungen Rosenzweig und auch Dr. Köhler ihr Einverständnis geben, aber Rosenzweig wollte die absolute Kontrolle über alles haben. Nun, ich bin nicht leicht einzuschüchtern, deshalb bin ich einen konsequenten Kurs in meinem Job gegangen. Sehen Sie, hier arbeiten insgesamt vierundvierzig Leute. Und ich bin sozusagen die erste Anlaufstation, wenn jemand Probleme hat, sei es mit einem Kollegen oder einer Kollegin, wenn es um eine Gehaltserhöhung geht und so weiter. Eigentlich ist mein Aufgabenfeld sehr weit gefächert. So habe ich zum Beispiel auf Wunsch einiger Mitarbeiterdurchgesetzt,
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