Letale Dosis
Telefongespräch beendet war, sah, daß ein Aschenbecher auf dem Tisch stand und zündete sich eine Gauloise an. Amelie Gröben lächelte etwas verkniffen und bat Julia Durant, Platz zu nehmen.
»Guten Tag, Frau Gröben. Wie Sie sicherlich schon wissen, bin ich von der Kriminalpolizei und hätte ein paar Fragen an Sie.«
»Ich stehe Ihnen zur Verfügung«, sagte die dunkelblonde Frau mit den grünen Augen, die einen gelben, bis über die Knie reichenden Rock und eine weiße Bluse trug. Sie war eine sehr gepflegte Erscheinung, die jünger aussah, als sie in Wirklichkeit war. Sie hatte die Ellbogen auf dem Tisch abgestützt und drehte einen Kugelschreiber zwischen den Fingern. »Wenn ich nur noch Ihren Namen erfahren dürfte?« sagte sie immer noch lächelnd.
»Tut mir leid, wenn ich mich nicht vorgestellt habe, ich bin Hauptkommissarin Julia Durant. Frau Gröben, Sie haben ja inzwischen längst von Dr. Rosenzweigs Tod gehört. Können Sie mir etwas zu seiner Person sagen? Was für ein Mensch er war, wie Sie zueinander standen …«
Das Lächeln verschwand augenblicklich aus dem Gesicht der Angesprochenen. Sie zog die Stirn in Falten, blickte auf ihre Finger, die noch immer den Kugelschreiber hielten, schließlich lehnte sie sich zurück, schluckte und sah die Kommissarin an.
»Zu seiner Person?« Sie zuckte die Schultern. »Nachdem Sie und Ihre Kollegen nun schon fast die gesamte Belegschaft befragt haben, werden Sie sicher wissen, was für ein Mensch Dr. Rosenzweig war. Ich habe dem eigentlich nichts weiter hinzuzufügen.«
»Woher wissen Sie, was die andern gesagt haben?«
»Eine Kollegin hat es mir vor ein paar Minuten erzählt.« Sie verzog für den Bruchteil einer Sekunde verächtlich die Mundwinkel, sagte: »Ich glaube kaum, daß ich andere oder neue Informationen für Sie habe.«
»Nun, das mag sein, trotzdem würde ich gerne von Ihnen, die Sie mit am längsten für Rosenzweig & Partner arbeiten, Ihre persönliche Meinung über den Toten hören.«
Frau Gröben schloß kurz die Augen, schüttelte kaum merklich den Kopf. »Mit ihm oder für ihn zu arbeiten konnte die Hölle sein. Man mußte einfach jede Sekunde aufpassen, was man sagte, wie man es sagte … Und trotzdem war man nie sicher vor seinen Launen. Ich bin seit bald zwanzig Jahren hier, und für mich ist Rosenzweigs Tod, so hart es auch klingen mag, kein Verlust. Ich denke, Dr. Köhler wird die Firma auch allein leiten können, vor allem aber wird hier endlich Ruhe einkehren. Zweifelsohne war Rosenzweig ein begnadeter Geschäftsmann, der bei den Kunden ein außerordentliches Ansehen genoß, nur hier, in diesen Räumen, hatte er dieses Ansehen längst verspielt. Ich glaube, kaum einer mochte ihn, nicht einmal die Schleimer, die sich einen Vorteil erhofften, indem sie ihm den Speichel von den Schuhen leckten. Das war auch das einzige, was Rosenzweig gefiel, Speichellecker, denn Speichellecker kriechen auf dem Bodenund man kann sie leicht treten. Und um auf Ihre andere Frage zurückzukommen – wir standen nicht zueinander, wir standen gegeneinander. Ich habe seine Art nie akzeptiert und habe es ihn auch einige Male recht deutlich spüren lassen. Ich bin sicher, er hätte mich nur allzu gerne schon vor Jahren fristlos gefeuert, doch ich war und bin die Sekretärin von Dr. Köhler, und nur der kann mich rausschmeißen.«
Julia Durant lächelte in sich hinein, ohne etwas auf die Ausführungen von Frau Gröben zu erwidern. Statt dessen fragte sie: »Und Frau Neumann, wie ist Ihr Verhältnis zu ihr? Sie müssen natürlich nicht auf diese Frage antworten, aber es würde mich dennoch interessieren.«
»Frau Neumann ist eine ganz nette Person. Mich wundert es, daß sie es so lange als Rosenzweigs Sekretärin ausgehalten hat. Bevor sie kam, haben die Damen etwa im Halbjahres-Zyklus gewechselt. Aber das hat wahrscheinlich mit Frau Neumanns besonders … offenherziger … Art zu tun, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Sie machte eine kurze Pause, bevor sie süffisant lächelnd fortfuhr: »Nun, welcher Mann befindet sich nicht gern in der Umgebung einer derart attraktiven jungen Frau, die über solch überaus hervorstechende körperliche Merkmale verfügt? Sie weiß eben ihre weiblichen Reize gezielt einzusetzen. Und Rosenzweig war schließlich auch nur ein Mann. Manchmal hat er sie auch mit auf Geschäftsreise genommen.«
»Interessant. Was meinen Sie konkret damit, daß Rosenzweig auch nur ein Mann war?«
»Na ja, es gibt Gerüchte. Ob an denen etwas
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