Letale Dosis
»Lassen Sie stecken, ich bin hier Stammgast und zahle meine Rechnung immer am Ende des Monats. Das Essen geht auf mich.«
»Danke sehr. Vielleicht kann ich mich einmal revanchieren.«
»Mal sehen. Ich muß jetzt aber zurück in die Praxis, um eins istmein nächster Termin. Schönen Tag noch, und wenn Sie noch Fragen haben, hier ist meine Karte, da steht auch meine Privatnummer drauf. Tschüs.«
Julia Durant blieb noch ein paar Sekunden auf dem Bürgersteig stehen und sah der jungen Psychologin nach, die ihr immer sympathischer wurde. Schließlich ging sie durch die sengende Mittagssonne zu ihrem Wagen, stieg ein und startete den Motor. Sie fuhr zurück ins Präsidium.
Mittwoch, 13.25 Uhr
Hellmer und Kullmer waren bei Berger im Büro, als Julia Durant eintraf. Sie waren gerade dabei, die Bürodurchsuchung auszuwerten, Durant hörte sich den Rest an. Sie hatten nur kurz Akteneinsicht genommen, aber auf den ersten Blick nichts Verdächtiges finden können. Ein paar Fachleute waren inzwischen hingeschickt worden, die die Akten besser und vor allem mit geschulterem Blick würden sichten können. Berger wandte sich Durant zu, fragte: »Und Sie, haben Sie bei dieser Reich mehr über die Rosenzweig in Erfahrung bringen können?«
»Ich glaube, wir können Frau Rosenzweig von der Liste der Tatverdächtigen streichen. Ihre Therapeutin sagt, daß diese Frau niemals zu einer solchen Tat fähig wäre. Sie hat mir einiges aus ihrem Leben geschildert, und es macht, nachdem ich mir das alles angehört habe, wenig Sinn, sie weiter zu verdächtigen. Das ist alles.«
»Gut, aber dann erklären Sie mir doch bitte, wie dieses Gift ins Haus gelangt ist? Rosenzweig wird es ja wohl kaum selbst dort deponiert haben, oder?« fragte Berger leicht ungehalten.
»Nein, natürlich nicht …«
»Was ist eigentlich mit der Haushälterin?« fragte Berger.
»Die ist erst morgen wieder da«, sagte Hellmer schnell und trankeinen Schluck aus der Coladose, die er sich aus dem Automaten auf dem Flur gezogen hatte.
Julia Durant schlug die Beine übereinander, ihr war heiß, die Luft im Büro stickig. Sie kniff die Lippen zusammen, schüttelte den Kopf. »Wenn man nur herauskriegen könnte, wie das Gift ins Haus kam! Wenn wir das wissen, haben wir auch den Täter.«
»Bist du da ganz sicher?« fragte Hellmer und blickte Durant an. Sie erwiderte seinen Blick, zog die Stirn fragend in Falten.
»Na ja«, fuhr er fort, »was, wenn Rosenzweig die Flasche selbst ins Haus gebracht hat, im guten Glauben, daß darin sein Insulin wäre? Ich meine, was, wenn das Gift schon vorher drin war?«
»Dann hätte er es am Montag besorgt, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause«, sagte die Kommissarin und fuhr fort: »Aber das halte ich für ziemlich ausgeschlossen, denn wie mir Frau Wagner aus dem Schreibbüro berichtet hat, hatte sie mit ihm noch in der Firma Geschlechtsverkehr, und das zu einer Zeit, als noch die meisten Angestellten anwesend waren. Und er kam, wie Frau Rosenzweig sagte, gegen neunzehn Uhr nach Hause. Hätte er das Insulin in einer Apotheke besorgt, dann hätten die ihm mit Sicherheit kein Schlangengift gegeben. Nein, das halte ich für ausgeschlossen.«
»Und du bist sicher, seine Frau hat nichts von seiner Umtriebigkeit gewußt?«
»Ziemlich. Und wenn schon, sie war es nicht!« sagte sie mit energischem Tonfall. »Hier hat jemand auf unglaublich raffinierte Weise gearbeitet. Der wußte genau, daß wir ihm nur sehr, sehr schwer auf die Schliche kommen werden. Wenn überhaupt. Ich meine, man muß ja erst mal jemanden finden, der einem konzentriertes Schlangengift besorgt, dazu noch von einer Schlange, die es in Deutschland überhaupt nicht gibt. Dann muß es dem Insulin beigefügt werden, ohne daß der Benutzer es merkt.« Sie machte eine Pause, überlegte, fuhr dann fort: »Hat es eigentlichjemals in der neueren Kriminalgeschichte einen ähnlichen Mord gegeben? Es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir das herausfinden könnten. Denn wenn es so etwas schon mal gab, könnte es ja unter Umständen sein, daß der Täter einen solchen Mord kopiert hat. Können Sie mal nachsehen, ob Sie was finden?« fragte sie Kullmer.
»Kein Problem. Das wird aber einige Zeit dauern.«
»Ist mir klar. Was mich aber immer noch beschäftigt, ist die Frage, was hat Rosenzweig so Furchtbares getan, daß jemand ihn umgebracht hat? Daß er in den Augen des Täters nur noch den Tod verdient hat?«
»Die Neumann oder die Wagner?« fragte Hellmer.
»Kaum. Die hatten
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