Letale Dosis
alle meine Warnungen in den Wind geschlagen. Selbst an einem solchen Tag mußte er noch ins Büro, als wenn die Bank nicht auch einmal einen Tag ohne ihn auskommen würde. Sein Problem. Ich denke, seine Frau ist oder war es gewohnt, daß ihr Mann nicht immer pünktlich war. Aber was soll’s, das geht mich nichts an.«
Kaum hatte Laura Fink den letzten Satz beendet, als das Telefon klingelte. Julia Durant nahm den Hörer ab, meldete sich mit einem »Ja?«.
»Hier ist Frau Schönau. Ist mein Mann noch im Büro?« fragte sie mit einem unverkennbaren französischen Akzent.
»Frau Schönau, mein Name ist Durant von der Kripo Frankfurt. Ich würde gern innerhalb der nächsten Stunde bei Ihnen vorbeikommen …«
»Könnte ich bitte mit meinem Mann sprechen?« fragte die Frau am anderen Ende mit aufgeregter Stimme. »Was tun Sie überhaupt in seinem Büro?«
»Frau Schönau, Sie können im Augenblick nicht mit Ihrem Mann sprechen … Um genau zu sein, Ihr Mann ist tot.«
»Bitte was? Sie scherzen doch, oder? Mein Mann ist doch nicht …«
»Frau Schönau, Frau Dr. Fink steht neben mir, und sie wird gleich zu Ihnen kommen. Wir sehen uns nachher. Und bitte, bleiben Sie zu Hause.«
»Wir haben jede Menge Gäste hier, und wir warten alle ganz gespannt auf ihn. Wir haben nämlich etwas Besonderes mit ihmvor. Es kann doch nicht sein, daß … nein, das kann nicht sein!« Sie begann zu schluchzen.
»Dr. Fink wird es Ihnen gleich erklären. Auf Wiederhören.«
Julia Durant legte auf, kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet, obgleich es in dem Raum kühl war.
»Tun Sie mir bitte einen Gefallen, fahren Sie hin und sprechen Sie mit Frau Schönau. Natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dort bleiben würden, bis mein Kollege und ich nachkommen.«
Laura Fink nahm ihren Arztkoffer und verließ den Raum. In der Tür stieß sie beinahe mit Morbs zusammen. Er warf Durant einen kurzen Blick zu und beugte sich gleich über den Toten mit den weit aufgerissenen Augen.
»Was haben Sie vorhin gemeint, als Sie von Giftfischen sprachen?« fragte er, während er den Toten aus der Nähe betrachtete.
»Der Behälter auf dem Tisch, das Aquarium, ich dachte mir, es könnte da einen Zusammenhang geben«, sagte Durant, die sich jetzt, nachdem der Fotograf seine Arbeit beendet hatte, eine Zigarette ansteckte.
Morbs leuchtete mit einer kleinen Lampe in die starren Augen des Toten, befühlte sein Kiefergelenk, ob schon die ersten Anzeichen für eine einsetzende Leichenstarre zu erkennen waren. Er schüttelte den Kopf, besah sich Schönaus rechten Arm, an dem der Ärmel bis über den Ellbogen hochgekrempelt war. Er öffnete die verkrampfte Hand, hielt einen Moment inne, sagte dann: »Hier, schauen Sie. Er wurde ein paarmal in die Handfläche und den Finger gestochen. Kleine schwarze Punkte. Wir könnten es hier tatsächlich mit einem unnatürlichen Tod zu tun haben. Einen Moment bitte«, sagte er und stellte sich vor das Aquarium. Sein Blick ging langsam von oben nach unten, bis er auf dem sandigen Boden hängenblieb. Er verharrte einen Augenblick regungslos, winkte mit der rechten Hand, sagte: »Kommen Sie her, ich glaube, wir haben die Übeltäter. Hier …« Er deuteteauf zwei wie Steine wirkende Wesen, die sich zum größten Teil im Sand vergraben hatten.
»Was ist das?« fragte Julia Durant. Sie nahm einen letzten Zug an der Zigarette, blickte um sich, entdeckte den Aschenbecher auf dem Schreibtisch, kniff die Augen zusammen, überlegte.
Frau Rosenzweig hat gesagt, als Mitglied der Kirche des Elohim würde man nicht rauchen und auch keinen Alkohol trinken, von anderen Dingen ganz zu schweigen
… Sie wandte sich wieder Morbs zu, behielt die Kippe in der Hand, bis auch der letzte Rest verglüht war. Morbs drehte sich um, ging zum Schreibtisch, nahm den Brieföffner, rollte den rechten Ärmel hoch, stellte sich auf einen Stuhl und versuchte, die beiden Wesen aus dem Sand zu holen. »Ich würde diese Viecher um nichts in der Welt mit bloßen Händen anfassen«, sagte er keuchend, während er den Sand aufwühlte. Nach einigen Versuchen war er erfolgreich, er nickte nachdenklich.
»Wie ich schon vermutete –
Conus geographus
und
Conus magus
, wenn ich mich nicht irre. Kegelschnecken. Sie sind die einzigen Tiere in diesem Aquarium, die einen Menschen mit ihrem Gift töten können. Sie leben ausschließlich in tropischen Gewässern, sind meist nachtaktiv, stehen zum größten Teil
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