Letale Dosis
was überziehen. Und bitte nichts anrühren.«
Durant steckte ihr Handy wieder in die Tasche, wandte sich der Ärztin zu, die am Fenster stand und auf die unter ihr liegende Straße blickte, die von hohen und noch höheren Häusern gesäumt war, von denen sich etliche noch im Bau befanden. Die Kommissarin stellte sich zu ihr, fragte, ohne sie dabei anzusehen: »Sie sind oder waren die Hausärztin von Rosenzweig und auch von Schönau, richtig?«
»Richtig.«
»Und jetzt sind innerhalb von zwei Tagen zwei Ihrer Patienten eines offensichtlich unnatürlichen Todes gestorben. Haben Sie eine Erklärung dafür?«
Laura Fink zuckte die Schultern, sah Durant ratlos von der Seite an. »Nein, es tut mir leid, ich habe keine. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, wer das getan haben könnte, wenn das Ihre nächste Frage sein sollte.«
»War Schönau ein regelmäßiger Patient von Ihnen?«
»Das kann man wohl sagen. Er litt unter Angina pectoris, es war vorgesehen, daß er sich in nächster Zeit einer Bypass-Operation unterziehen sollte. Seine Anfälle haben an Häufigkeit und vor allem Intensität immer mehr zugenommen, und einer dieser Anfälle hätte leicht zum Tod führen können.«
»Angina pectoris? Könnte das unter Umständen auch hier der Fall gewesen sein?«
»Keine Ahnung, ich habe ihn ja nicht untersucht. Aber mein Gefühl sagt mir, daß es kein Anfall war. Erst Rosenzweig, dann er … Das ist doch schon mehr als merkwürdig. Und dann noch dieser Zettel da an dem Behälter, und vor allem der andere auf dem Tisch. Und seine offene Hose …«
»Haben Sie eine Vermutung, von wem die Zettel stammen könnten?«
»Liebling! Das hört sich an, als hätte er eine Geliebte gehabt. Aber Schönau und eine Geliebte?« Laura Fink schüttelte ungläubig den Kopf und lachte leise und zweifelnd auf. »Das kann ich mir nun beim besten Willen nicht vorstellen. Da hat sich einer einen üblen Scherz erlaubt. Sicher, er hatte Geld und Einfluß, aber der Mann war ausgepowert und …« Sie hielt inne, kniff die Lippen zusammen.
»Und was?« fragte Durant.
»Es macht einfach keinen Sinn. Schönau war nicht der Typ für eine Affäre. Und seine Mitgliedschaft und vor allem seine Positioninnerhalb der Kirche verboten es ihm. Es würde mich auf jeden Fall sehr wundern. Und das andere, das mit dem Kinder …«
Julia Durant konnte sich ein leichtes, zynisches Lächeln nicht verkneifen, sagte nur: »Da kann man mal sehen, es gibt eben doch Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen wir keine Ahnung haben. Und in die Seele und die dahinter verborgenen Abgründe vermögen wir nicht zu blicken.«
»Hallo«, sagte eine bekannte Stimme von der Tür her. Hellmer kam auf Durant zu und blieb direkt vor ihr stehen. »Ganz schöne Scheiße, was?« quetschte er zwischen den Zähnen hervor. »Das ist doch kein Zufall, oder?«
»Glaub ich auch nicht«, sagte Durant und sah Hellmer an. »Da steckt System dahinter. Nur was für eines? Befrag doch mal draußen die Leute von der Putzkolonne. Morbs wird auch gleich hier sein.« Sie ging zu einem Kollegen vom KDD, während Hellmer sich auf den Flur begab.
»Wer hat euch informiert, und wann?« fragte sie und sah den jungen Mann, der sie um einen Kopf überragte, von unten herauf an.
»Die Streife, um kurz nach sieben. Es ist ein Notruf eingegangen, woraufhin gleich jemand hergeschickt wurde. Sie haben auch sofort die Ärztin verständigt, nachdem sie ihre Nummer in seinem Notizbuch gefunden haben.«
Julia Durant begab sich wieder zu Laura Fink, die noch immer am Fenster stand und auf die Straße blickte.
»Ist er verheiratet?« fragte sie.
»Ja. Und er hat heute Geburtstag. Seinen fünfzigsten.« Laura Fink zuckte die Schultern, fuhr fort: »Aber das haben Sie ja sicherlich schon gelesen. Heute abend sollte eigentlich bei ihm zu Hause eine große Party steigen. Daraus wird wohl nichts.«
»Und seine Frau, weiß die schon Bescheid?« fragte die Kommissarin.
»Ich habe sie nicht angerufen, das wollte ich Ihnen überlassen.
Aber wenn Sie wollen, ich meine, ich kenne Frau Schönau schon seit Jahren, eigentlich seit ich ein Kind war.«
»Nein, nein, wir übernehmen das. Aber hat sie sich bis jetzt nicht gemeldet und gefragt, wo ihr Mann bleibt?« fragte Durant, die Stirn in Falten gezogen. »Man wird schließlich nur einmal fünfzig, und wenn so eine große Feier angesetzt ist, dann …«
»Schönau war ein Arbeitstier. Ich habe ihm oft genug gesagt, er soll ein wenig kürzer treten, aber er hat
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