Letale Dosis
Sie mich erreichen können. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Frau Dr. Fink«, sagte Julia Durant und sah der jungen Frau hinterher, die sich mit schnellen, ausholenden Schritten auf den Ausgang zubewegte. Sie blieb plötzlich stehen, wandte sich um, sagte: »Übrigens, nennen Sie mich einfach nur Frau Fink oder Laura. Ich lege keinen Wert auf den Titel.« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, verschwand sie nach draußen.
»Sie könnte eigentlich ganz hübsch sein«, sagte Hellmer leise, »wenn sie sich nicht wie ein halber Mann geben würde.«
»Sie ist hübsch«, bemerkte Durant, »vielleicht weiß sie es nur nicht. Oder sie will es nicht wissen.«
»Was?« fragte Hellmer und zog die Stirn in Falten.
»Vergiß es. Komm, wir machen uns auch auf den Weg. Ich könnte eine Mütze voll Schlaf vertragen.«
Am Auto angelangt sagte Julia Durant, während sie sich eine Zigaretteanzündete: »Diese beiden Morde werden uns noch eine Menge Kopfzerbrechen bereiten. Wir haben es hier mit jemandem zu tun, der genauestens über die Lebensweise der Opfer Bescheid wußte. Und bei Rosenzweig ist mir jetzt noch rätselhafter, wie das Gift in seinen Schreibtisch kam. Scheiße, und gute Nacht.«
»Nacht, und schlaf gut. Und träum süß von niedlichen Kegelschnecken!«
Julia Durant hielt den ausgestreckten Mittelfinger der linken Hand aus dem Fenster, startete den Motor und fuhr los. Hellmer grinste, stieg in seinen BMW und steckte sich eine Marlboro an. Er drückte eine Taste auf dem Autotelefon, seine Frau Nadine meldete sich nach dem zweiten Läuten.
»Hallo, Schatz. Ich bin jetzt unterwegs. Bis gleich, und – ich liebe dich.« Er drückte die Aus-Taste, legte die neueste CD von Beautiful South ein, drehte den Zündschlüssel und gab Gas. Er genoß den warmen Fahrtwind, die laute Musik. Er freute sich auf zu Hause.
Auf Nadine, mit ihr zusammen einzuschlafen.
Mittwoch, 23.40 Uhr
Als Laura Fink nach Hause kam, stellte sie ihren Wagen in der Garage ab, schloß das Tor von innen mit der Fernbedienung und ging durch eine Tür in der Garage ins Haus. Sie stellte ihren Arztkoffer im Flur ab und begab sich in den ersten Stock. Sie war müde und erschöpft, warf einen Blick auf den Anrufbeantworter, auf dem zwei Nachrichten waren, eine von ihrer Mutter und eine weitere von Sabine Reich, ihrer besten und auch einzigen Freundin. Sie sagte, sie solle sie anrufen, sobald sie zu Hause sei, sie selbst wäre bestimmt noch bis ein Uhr wach. Es war warm in der Wohnung, sie schaltete die Klimaanlage ein, die sie im vergangenenSommer hatte einbauen lassen. Innerhalb weniger Minuten sank die Temperatur um einige Grad.
Laura Fink stand eine Weile unentschlossen vor dem Telefon, überlegte, wollte schon den Hörer in die Hand nehmen, ließ es dann aber, holte sich statt dessen aus der Küche eine Banane und einen Joghurt, setzte sich auf die Couch und aß. Danach stellte sie sich für einen Moment auf den Balkon, atmete die warme Nachtluft ein, hinter den meisten Fenstern in diesem Wohnviertel war es bereits dunkel, von irgendwoher drangen leise Stimmen zu ihr. Das ferne Summen eines startenden Flugzeugs, ein Auto, das näher kam. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, dessen verspieltes Laura-Ashley-Design eine gemütliche, warme Atmosphäre ausstrahlte, schaltete den Fernsehapparat an, um sich noch für ein paar Minuten zu entspannen. Sie sah auf den Bildschirm, nahm aber nicht wahr, was dort gezeigt wurde. Ihre Gedanken kreisten unablässig um Rosenzweig und Schönau, die beiden Männer, die sie so lange und so gut gekannt hatte. Ein kurzer Seufzer kam über ihre Lippen, sie ging ins Bad, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche und ließ etwa fünf Minuten lang lauwarmes Wasser über ihren Körper laufen. Gerade als sie den Mischhebel drückte, klingelte das Telefon. Nackt und naß nahm sie den Hörer von der Gabel, meldete sich mit einem schlichten »Ja?«.
»Hallo, Laura. Hier ist Sabine. Hast du meine Nachricht schon abgehört?«
»Ja«, sagte Laura Fink, »ich bin aber gerade erst heimgekommen. Was gibt es denn? Ich bin ziemlich erschlagen.«
»Ich hab das von Schönau gehört. Du weißt ja, in der Kirche verbreitet sich so was wie ein Lauffeuer. Ich wollte einfach mal von dir wissen, was da los war.«
»Er ist umgebracht worden.«
»Und, weiß die Polizei schon Näheres?«
»Nein, gar nichts. Sie wissen lediglich, daß Gift im Spielwar. Aber darüber reden wir morgen. Laß mich einfach schlafen.«
»Okay, dann bis morgen. Und schlaf
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