Letale Dosis
gut.«
»Bis morgen.« Laura Fink legte auf, ihre Haut war inzwischen trocken, nur ihre Haare waren noch etwas feucht. Sie ging ins Schlafzimmer, zog sich einen Slip und ein leichtes Trägerhemd an und legte sich ins Bett. Sie hatte die Nachttischlampe angeschaltet, die wie immer die ganze Nacht über brennen würde. Seit sie ein kleines Kind war, konnte sie nicht schlafen, wenn es völlig dunkel war. Sie faltete die Hände, betete, wie sie es jeden Abend vor dem Schlafen tat. Die Klimaanlage surrte leise, Laura Fink zog die Bettdecke bis über die Schultern und drehte sich auf die Seite. Sie schloß die Augen, doch es dauerte eine Weile, bis die Bilder des vergangenen Tages allmählich verblaßten und ihr Körper und ihr Geist endlich Ruhe fanden. Nach zwei Stunden wachte sie wieder auf, schweißgebadet wie so oft, gequält von dem
einen
Alptraum, der sie seit Jahren verfolgte. Sie setzte sich auf, ihr war schwindlig, ihr Herz schlug wie ein Hammer gegen ihre Brust. Sie mahnte sich zur Ruhe, murmelte: »Ich kenne das, ich kenne das, es ist nicht schlimm.« Ihr Herzschlag begann sich allmählich zu beruhigen, ihre Atmung wurde gleichmäßiger. Sie ging auf die Toilette, setzte sich danach wieder aufs Bett, ihr Mund und ihre Kehle waren trocken. Sie nahm die Flasche Wasser, die neben ihrem Bett stand, trank ein paar Schlucke. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch das naßgeschwitzte Haar, legte sich hin. Sie starrte an die Decke, sagte leise: »Vater, bitte hilf mir. Laß mich nicht allein. Du kennst meine Sorgen und meine Nöte, und du weißt, daß ich dich brauche. Ich will ein Werkzeug in deiner Hand sein und alles tun, was du von mir verlangst. Aber bitte, bitte verlaß mich nicht.« Sie rollte sich in die Decke. Sie schlief ein.
Mittwoch, 23.45 Uhr
Julia Durant stellte ihren Corsa in der Nähe des Hauses ab, nahm ihre Tasche, stieg aus und schloß den Wagen ab. Sie überquerte die Straße, zwei junge Männer in Jeans und T-Shirt kamen ihr in etwa fünfzig Meter Entfernung auf dem Bürgersteig entgegen, ihr Gang provozierend, die Haltung verhieß nichts Gutes. Die Kommissarin tat, als ignorierte sie die beiden, in Wirklichkeit war sie in jeder Faser ihres Körpers gespannt, steckte die rechte Hand in die Tasche, entsicherte die Pistole und umfaßte den Griff. Es hatte in den letzten drei Wochen mehrere Überfälle auf Frauen gegeben, von denen drei erst zusammengeschlagen und dann vergewaltigt und ausgeraubt worden waren, und das letzte wahrscheinliche Opfer, ein siebzehnjähriges Mädchen, galt noch immer als vermißt. Als die Männer und Julia Durant fast auf gleicher Höhe waren und sie rechts an ihnen vorbeigehen wollte, machte einer der beiden plötzlich einen Schritt nach rechts und versperrte ihr den Weg. Er war etwa einsachtzig groß, schlank, mit blonden, kurz geschnittenen Haaren und höchstens zwanzig Jahre alt. Er grinste sie an, sagte leise, mit schmieriger Stimme: »Hey, Süße, haste mal Feuer?«
Julia Durant sah ihn an, registrierte aber aus den Augenwinkeln jede Bewegung des andern, der noch jünger schien und sich seitlich von ihr aufgebaut hatte und einen etwas debilen Eindruck machte.
»Nein, tut mir leid.«
»Schade«, sagte der Blonde und faßte die Kommissarin bei der Schulter, »aber vielleicht haste ja was anderes für uns. So’ne hübsche Tuss und nachts so ganz allein auf ’ner einsamen Straße, tz, tz, tz, das sollte jemand wie du nicht machen.« Seine Hand glitt tiefer, berührte ihren Busen.
»Du hast geile Titten. Wie wär’s mit ’nem flotten Dreier?«
»Soll ich um Hilfe schreien?« fragte Julia Durant kühl.
»Bevor du auch nur einen Ton rauskriegst, stopfen wir dir das Maul. Und anschließend noch was ganz anderes. Kapiert?!« Er lachte meckernd, plötzlich wurde seine Stimme scharf und schneidend: »Also, halt die Klappe. Los, da rüber!« befahl er und deutete mit dem Kopf auf den Spielplatz, der jetzt im Dunkel lag.
»Kann ich vorher noch eine rauchen?« fragte sie.
»Ich denk, du hast kein Feuer?« fragte der Blonde mißtrauisch.
»Für mich schon.« Sie machte einen schnellen Schritt zurück, zog die Pistole aus der Tasche und richtete sie erst auf den Blonden, dann auf seinen dunkelhaarigen Kumpel, der bis jetzt kein Wort gesagt hatte.
»So, ihr beiden, ihr nehmt jetzt die Pfoten hoch und stellt euch mit dem Gesicht an das Auto. Hier in meiner Hand hab ich das Feuer. Wenn einer von euch auch nur einen Mucks macht, könnt ihr diesem Leben adieu sagen. Also,
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