Letale Dosis
Was für eine Frau ist sie?«
»Ich verstehe zwar Ihre Frage nicht ganz, aber Vivienne ist charmant, freundlich, ehrlich und bisweilen sehr direkt. Und sie ist eine außergewöhnlich schöne Frau. Es gibt nur wenige, die es mit ihrer Klasse aufnehmen können. Hätten Sie gedacht, daß sie schon sechsundvierzig ist? Ich finde, sie sieht phantastisch aus.«
»Sechsundvierzig? Dafür sieht sie wirklich toll aus. Sagen Sie, gibt es in Ihrer Kirche eigentlich nur reiche Leute, Akademiker und schöne Menschen?«
Laura Fink lachte auf, sagte: »Nein, zum Glück nicht. Sie haben die Ausnahmen erwischt. Rosenzweig, Schönau, Frau Reich, ich – wir nagen natürlich nicht am Hungertuch, aber die meisten Mitglieder sind ganz normale Menschen, Arbeiter, Angestellte, es gibt auch ein paar Künstler. Wie gesagt, es gibt Ausnahmen, aber die sind nicht die Regel.«
»Da bin ich ja erleichtert«, sagte Durant grinsend. »Ich dachte schon, ich wäre im Club der Millionäre gelandet. Aber Spaß beiseite, wir wissen inzwischen mit ziemlicher Sicherheit, woran Schönau gestorben ist. In dem Behälter, der auf seinem Schreibtisch stand, haben sich aller Wahrscheinlichkeit nach zwei sogenannte Kegelschnecken befunden, die von Professor Morbs, unserem Rechtsmediziner, eindeutig identifiziert wurden …«
»
Conotoxin
«, murmelte Laura Fink nachdenklich. Sie verzog leicht die Mundwinkel, sagte: »Das ist ein Nervengift, und zwar ein extrem wirksames.«
»Sie kennen sich auch
damit
aus?« fragte Durant mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Ich habe Medizin studiert und einen Teil meines Studiums der Toxikologie gewidmet. Ich kenne übrigens einige der Bücher von Professor Morbs. Es gibt wohl kaum jemanden, der sich besser mit der Materie auskennt als er … Es ist schon fast perfide, jemanden auf diese Weise umzubringen. Mich wundert nur, daß Schönau diese Schnecken nicht kannte.«
»Seine Frau sagte, er hätte sich nicht mit Namen abgegeben, ihn interessierten nur die Fische selbst.«
»Kegelschnecken sind keine Fische, sie zählen zu den Mollusken oder, auf deutsch, Weichtieren. Unbedarfte Menschen, die nichts über sie wissen und sie einfach nur schön finden, spielen mit ihrem Leben, wenn sie diese Tiere anfassen. Zumindest einige von ihnen sind hochgiftig. Allerdings findet man die wirklich gefährlichen ausschließlich in den tropischen und subtropischen Gewässern des Indopazifiks. Tja, Sie haben es wohl mit einem sehr raffinierten Giftmörder zu tun.«
»Oder einer Mörderin«, sagte Hellmer trocken und musterte die Reaktion von Laura Fink eingehend. »Sie sind bestimmt nicht die einzige Frau, die sich mit solchen Tieren auskennt.«
»Nein, aber es gibt bestimmt nicht viele Frauen, die so viel über diese, sagen wir, exotischen Gifte und Toxine wissen …«
»Aber vorhin, in Schönaus Büro, sagten Sie, Sie seien keine Expertin, soweit ich mich erinnern kann. Sie sind aber offensichtlich doch eine …«
»Ich bin keine Expertin. Ich kenne mich zwar in den Grundlagen der Toxikologie aus, habe während meines Studiums im Labor gearbeitet, habe zugesehen, wie bestimmte Gifte synthetisiert wurden, um sie zum Beispiel im medizinischen Bereich einzusetzen, aber ich bin deswegen noch lange keine Expertin. Wenn Sie einen Experten haben wollen, dann nehmen Sie Professor Morbs. Ich habe noch nie eine Kegelschnecke zu Gesicht bekommen, ich habe lediglich Bilder von ihnen gesehen.« Sie machte eine Pause, holte einen Kaugummi aus ihrer Hosentasche,wickelte ihn aus und steckte ihn in den Mund. Fast provozierend fragte sie: »Und, zähle ich jetzt zu Ihren Hauptverdächtigen? Nur weil ich ein bißchen über Gifte Bescheid weiß? Vergessen Sie’s, ich habe damit nichts zu tun. Egal, was jemand getan hat, ich könnte niemanden umbringen. Und ehrlich – hätte ich Ihnen all das erzählt, wenn ich die Morde begangen hätte? Wohl kaum, oder?«
Durant sah erst zu Boden, dann blickte sie Laura Fink an. »Wo haben Sie Ihre Praxis?«
»Hier«, sagte sie, griff in ihre Tasche und reichte Durant ihre Karte. »Hier stehen meine Sprechzeiten drauf sowie meine Telefonnummer …«
»Aber nur die von der Praxis. Was, wenn wir Sie außerhalb Ihrer Sprechzeiten anrufen möchten oder müssen?«
»Ich schreib Ihnen meine Privatnummer auf. Ich wohne im gleichen Haus, in dem sich auch die Praxis befindet. Noch Fragen? Wenn nicht, dann würde ich jetzt gern nach Hause fahren, ich habe einen sehr anstrengenden Tag hinter mir. Sie wissen ja, wo und wie
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