Letale Dosis
würde zumindest bedeuten, daß er ein sehr potenter Mann war.«
»Ich würde vorschlagen, wir warten das Ergebnis ab. Außerdem glaube ich nicht, daß uns diese Erkenntnis sehr viel weiter bringt«, sagte Berger. »Auch wenn Rosenzweig noch mit einer andern Person gebumst hat, wissen wir immer noch nicht, wie das Gift in seinen Schreibtisch gelangt ist. Wir wissen zwar, daß Schönau zumindest einen Samenerguß hatte, wir wissen aber nicht, wer ihn dazu gebracht hat. Wir drehen uns im Kreis, zumindest vorläufig noch. Meine Dame, meine Herren, ich würde sagen, Sie machen sich an die Arbeit.«
»Einen Moment noch«, sagte Julia Durant, »hat die Spurensicherung sich schon gemeldet?«
»Bis jetzt nicht. Aber ich kann mal anrufen und nachfragen.«
»Das wäre nett. Ich habe da nämlich eine Vermutung.«
»Und die wäre?« fragte Hellmer.
»Daß der- oder diejenige nicht nur die Spuren an Schönaus Pimmel beseitigt hat, sondern auch sämtliche anderen Spuren, wie zum Beispiel Fingerabdrücke. Mir ist nämlich aufgefallen, daß ein Aschenbecher auf Schönaus Schreibtisch stand. Soweit ich aber informiert bin, hat Schönau nicht geraucht, weshalb also sollte er einen Aschenbecher in seinem Büro haben?«
»Für Besucher?« sagte Kullmer.
»Kaum. Sie wissen doch, ein eingefleischter Nichtraucher wie Schönau wird nicht zulassen, daß in seiner Gegenwart geraucht wird. Es sei denn, es handelt sich um jemand, der sein äußerstes Vertrauen genießt und dem es ausnahmsweise gestattet ist, in seinem Büro zu rauchen. Nach außen war Schönau ein absoluter Saubermann, vor allem in seiner Kirche, in Wirklichkeit aber hatte er es faustdick hinter den Ohren und hat sich einen Dreck um irgendwelche Glaubensgrundsätze geschert. Wenn ihr nachher in die Bank fahrt, fragt doch mal, ob Schönau es geduldethat, wenn jemand rauchte, oder ob es ein striktes Rauchverbot gab.«
»Okay, machen wir«, sagte Hellmer.
Berger rief bei der Spurensicherung an, bevor die Beamten das Büro verließen. Nach einer Minute legte er wieder auf, sagte zu Julia Durant: »Sie haben richtig vermutet, es wurden winzige Aschepartikel gefunden, der Aschenbecher wurde aber mit einem feuchten Tuch abgewischt, ebenso wie ein Großteil des Schreibtischs und die Türklinken. Es gab aber immer noch genügend Fingerabdrücke, doch ich bezweifle, daß auch nur einer davon zum Täter gehört.«
»Dachte ich mir«, sagte die Kommissarin schulterzuckend und nahm ihre Tasche. »Dann werd ich mich mal auf den Weg machen.« Sie warf einen Blick zur Uhr, halb neun. Gemeinsam mit Hellmer und Kullmer ging sie nach unten. Sie stieg in ihren Corsa, während ihre Kollegen einen Dienstwagen nahmen. Als erstes wollte sie bei Laura Fink vorbeischauen, danach zur Schönau Bank fahren, um Hellmer und Kullmer bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Es gab einige wichtige Fragen, auf die sie hoffentlich befriedigende Antworten erhalten würde.
Donnerstag, 9.00 Uhr
Marianne Rosenzweig traf pünktlich bei Sabine Reich ein. Sie fühlte sich nicht sonderlich gut, seit dem Tod ihres Mannes konnte sie kaum noch schlafen, zuviel war in ihrem Kopf, wie etwa die Gedanken und Fragen, was für ein dunkles Geheimnis er mit in sein Grab genommen haben könnte. Sie wirkte blaß, machte einen übernächtigten Eindruck, den auch das Make-up nicht kaschieren konnte.
»Guten Morgen, Schwester Rosenzweig«, wurde sie von Sabine Reich begrüßt. »Wie geht es Ihnen heute?«
»Bescheiden, aber das sehen Sie ja selbst. Ich glaube, ich habe in den letzten drei Nächten insgesamt nicht mehr als sieben oder acht Stunden geschlafen. Im Augenblick habe ich das Gefühl, durch eine Nebelwand zu laufen.«
»Kommen Sie rein und setzen Sie sich. Möchten Sie etwas trinken? Einen Tee, Wasser, Orangensaft?«
»Nein danke, ich habe gerade eben erst gefrühstückt, was man so frühstücken nennt. Es fällt mir einfach schwer, nach einem solch furchtbaren Ereignis zu meinem normalen Lebensrhythmus zurückzukehren.« Sie betrat das Therapiezimmer, nahm in ihrem Sessel Platz. »Zwanzig Jahre war ich mit ihm verheiratet, und ich habe immer mehr das Gefühl, ihn überhaupt nicht gekannt zu haben. Ich glaube, er hat mir viel verschwiegen. Warum sonst hätte jemand ihn umbringen sollen? Sagen Sie mir, warum?«
Sabine Reich hatte sich ihr gegenüber auf den andern Sessel gesetzt, eine Tasse Tee stand vor ihr. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, sie trug eine weiße Bluse und einen blauen, knapp über dem
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