Letale Dosis
mit Maschine geschrieben. Bei einem handgeschriebenen Brief könnte man leicht von einem Graphologen bestimmen lassen, ob der Verfasser eine Frau oder ein Mann ist, aber so …« Durant zuckte die Schultern.
»Wenn es – theoretisch – ein Mann war, dann könnte das doch auch heißen, daß Schönau unter Umständen schwul war, oder zumindest bi«, sagte Kullmer, der einen Kaugummi auswickelte und in den Mund steckte.
»Könnte sein. Das würde auch zu der Meinung von Frau Schönau passen, die sagte, daß ihr Mann ab und an ein Verhältnis hatte. Mit wem, konnte oder wollte sie nicht sagen, es schien sie auch nicht weiter zu interessieren. Die Ehe der beiden stand offensichtlich zumindest in den letzten Jahren unter keinem sonderlich guten Stern. Obwohl die Frau ein echtes Superweib ist, schön, elegant, gepflegt und intelligent. Aber vielleicht sollten wir sie einmal etwas genauer zu ihren Vermutungen befragen. Auf jeden Fall hat Schönau, laut Aussage seiner Frau, die mit ihm kurz vor seinem Tod noch telefoniert hatte, auf ein Paket gewartet. Er hatte ihr nämlich gesagt, es würde etwas später werden, eben wegen dieses Paketes. Nur hat er ihr nicht verraten, von wem es stammt.« Sie machte eine Pause, stand auf, schenkte sich einen Kaffee ein, fuhr dann fort: »Ach ja, noch was Interessantes– seine Hose war offen, und sein kleiner Mann schaute gut sichtbar für jeden von uns aus dem Hosenschlitz. Ja, und außerdem, als ich gestern in Schönaus Büro ankam, war schon jemand vor mir dort, den ich bereits von Rosenzweig kannte – Laura Fink, die Ärztin, auch ein Mitglied dieser Kirche, wie Sie ja wissen. Und die kennt sich erstaunlich gut mit Giften aus.«
»Inwiefern?« fragte Berger, die Augen zu Schlitzen verengt.
»Sie wußte sofort den Namen des Gifts, das diese Kegelschnekken abgeben.«
»Interessant. Was wissen Sie über die Frau?«
»Relativ wenig – bis jetzt. Aber ich habe mir vorgenommen, sie ein bißchen näher unter die Lupe zu nehmen. Wobei«, Durant schüttelte den Kopf und sah Hellmer ratlos an, »mir noch immer nicht klar ist, wie das Gift in Rosenzweigs Schreibtisch gekommen ist. Ich meine, seine Frau scheidet inzwischen mit größter Wahrscheinlichkeit aus, es sei denn, sie hat auch Schönau auf dem Kieker gehabt. Was ich mir aber nicht vorstellen kann. Nur, wie ist das Gift überhaupt in Rosenzweigs Haus gelangt? Das ist die vielleicht entscheidende Frage, deren Beantwortung uns mit einem Schlag den Täter liefern würde. Andererseits, was haben Rosenzweig und Schönau verbrochen? Ihre Affären allein können unmöglich der Grund sein. Da steckt etwas ganz anderes dahinter, etwas, das wir im Augenblick nicht einmal erahnen können. Ich schätze, es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns, bis wir den Fall gelöst haben.«
Berger drückte seine Zigarette aus und zündete sich gleich eine neue an. Er stand auf, stellte sich ans Fenster, in das die morgendliche Sonne mit voller Wucht schien. Mit zusammengekniffenen Augen sah er hinunter auf die Straße, wo der Berufsverkehr seinen Höhepunkt erreicht hatte. »Verfluchte Hitze!« murmelte er, fuhr fort: »Und wie sieht Ihr Plan für heute aus?«
»Wir müssen natürlich die Angestellten der Bank vernehmen«, sagte Durant. »Das sollten aber andere erledigen, denn ich würdemich gern noch einmal mit der Ärztin und Frau Schönau unterhalten, wobei ich Frau Schönau wohl erst am späten Nachmittag erreichen werde, weil sie heute morgen an den Bodensee gefahren ist, um ihre beiden Töchter abzuholen. Aber vorher würde ich gern noch von Morbs das vorläufige Ergebnis der Autopsie einholen.«
Durant griff zum Telefonhörer, wählte den Anschluß von Morbs in der Rechtsmedizin.
»Guten Morgen, Professor, hier Durant. Gibt es schon Ergebnisse?«
»Für Sie mag es vielleicht ein guter Morgen sein, ich möchte nur noch in mein Bett und schlafen. Aber um Ihre Neugier zu befriedigen – es gibt Ergebnisse. Meine Sekretärin hat sie gerade getippt und wird sie gleich durch den Computer schicken. Sollten Sie noch Fragen haben, dann rufen Sie mich zu Hause an, aber um Himmels willen nicht vor heute nachmittag um drei. Irgendwann brauche auch ich meinen Schlaf.«
»Wie lange bleiben Sie noch im Büro?« fragte Durant.
»Höchstens zehn Minuten. So lange bin ich noch erreichbar.« Er beendete grußlos das Gespräch. Julia Durant blickte grinsend den Hörer an, legte auf.
»Typisch Morbs. Aber der gute Mann hat sich schließlich zwei volle Nächte
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