Letale Dosis
an, vielleicht fällt Ihnen ja etwas ein. Und die Öffentlichkeit wird sicher alles andere als erfreut sein, zu erfahren, daß die Polizei nichts unternimmt, um unbescholtene und rechtschaffene Bürger vor einem Wahnsinnigen zu beschützen. Sie sollten einmal darüber nachdenken.«
»Wissen Sie«, sagte die Kommissarin, beugte sich vor und sah Fink direkt in die Augen, »wenn Sie mir drohen wollen, schneiden Sie sich ins eigene Fleisch. Entweder Sie helfen bei der Aufklärung der Morde und verhindern dadurch einen potentiellen Mord an sich selbst, oder Sie tun etwas Unüberlegtes und verscherzen sich dadurch sämtliche Sympathien der Polizei. Und im übrigen, ich kenne unseren Polizeipräsidenten selbst recht gut, und ich kenne vor allen Dingen seinen Standpunkt, was gute und saubere Polizeiarbeit angeht. Vergessen Sie das bitte auch nicht.«
Fink machte eine abfällige Handbewegung. »Ich sehe schon, Sie sind nicht auf meiner Seite. Aber so leicht lasse ich mich nicht unterkriegen, das garantiere ich Ihnen.« Er erhob sich, blieb einenkurzen Augenblick mitten im Raum stehen, nickte schließlich, sagte: »Ich werde jetzt zurück in meine Kanzlei fahren. Ich nehme an, Sie werden mich wissen lassen, wenn Sie etwas herausgefunden haben.«
»Sie werden es erfahren, entweder durch uns oder durch die Medien.«
»Guten Tag; ich hatte mir ehrlich gesagt mehr von Ihnen erhofft.«
»Und ich mir von Ihnen. Darf ich das Schreiben behalten? Ich würde es gern auf Fingerabdrücke und andere Spuren untersuchen lassen. Haben Sie auch noch den dazugehörigen Umschlag?«
Fink griff in seine Anzugjacke, holte den Umschlag hervor, reichte ihn Durant. Sie nahm ihn, steckte ihn zusammen mit dem Brief in die Tasche. Fink verließ ohne ein weiteres Wort das Haus. Nachdem er gegangen war, stand Julia Durant auf und ging zu Laura Fink, die wieder in den kombinierten Wohn-Eßbereich kam, sich auf den Hocker setzte und einen weiteren Schluck aus ihrem Glas nahm. Obgleich sie versuchte, sich lokker zu geben, bemerkte die Kommissarin eine gewisse Verstörtheit.
»Ist Ihr Vater immer so?«
Laura Fink zuckte die Schultern: »Manchmal. Er kann es nicht ertragen, wenn er nicht unter allen Umständen seinen Kopf durchsetzen kann. Machen Sie sich nichts draus, er wird sich in dieser Beziehung nie ändern. Ich habe seine Launen vierunddreißig Jahre lang ertragen müssen, jetzt hat er nur noch meine Mutter, die … Ach was, es ist unwichtig.«
»Neigt Ihr Vater zu Jähzorn?«
»Manchmal.«
»Entschuldigen Sie die indiskrete Frage, aber wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater?«
»Wir gehen uns aus dem Weg, soweit das möglich ist. Manchmalläßt sich ein Zusammentreffen aber nicht vermeiden, wie heute. Sie hätten ihn sehen sollen, als er vorhin kam und mir den Brief zeigte. Zum ersten Mal, seit ich denken kann, habe ich so etwas wie Angst in seinen Augen gesehen. Er ist jetzt zweiundsechzig, aber eine solche Angst habe ich bei ihm noch nicht erlebt.«
Julia Durant setzte sich ebenfalls auf einen Hocker, Laura Fink fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, den Blick zu Boden gerichtet. »Möchten Sie auch etwas trinken? Wasser, Saft?«
»Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht. Danke.«
Laura Fink griff über die Theke, holte die Flasche und ein Glas und schenkte erst der Kommissarin, dann sich selbst ein.
»Was macht Ihr Vater beruflich?«
»Er ist Rechtsanwalt. Vielleicht sagt Ihnen der Name
Fink, Schwarzhaupt & Bögner
etwas. Eine der großen Kanzleien in Deutschland. Sie haben ihren Hauptsitz in Frankfurt, aber auch Dependancen in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München.«
»Warum hat Ihr Vater Sie vorhin rausgeschickt, als ich ihm die Frage nach seiner Vergangenheit stellte?«
Laura Fink zuckte die Schultern, sagte mit gesenktem Blick: »Keine Ahnung, er ist eben so. Fragen Sie ihn selbst, vielleicht bekommen Sie eine Antwort.«
»Das werde ich zweifellos noch tun …«
»Glauben Sie denn, sein Leben ist in Gefahr?« fragte Laura Fink, ohne aufzusehen, und fuhr mit einem Finger über den Glasrand.
»Es könnte sein. Auch wenn der Täter mit diesem Brief seine gesamte Vorgehensweise ändern würde. Denn bislang ist uns nicht bekannt, daß die Morde vorher angekündigt wurden … Wären Sie bereit, mir etwas über Ihren Vater zu erzählen?« fragte Julia Durant vorsichtig.
»Es kommt drauf an, was Sie wissen wollen. Wenn es zu persönlich wird, denke ich, sollten Sie ihn besser selbst fragen.«
»Frau Fink, Sie kennen oder besser
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