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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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kannten sowohl Rosenzweigals auch Schönau. Sie sind Ärztin und an eine Schweigepflicht gebunden. Versprechen Sie mir, mit keinem Menschen über das zu reden, was ich Ihnen jetzt sage?«
    Laura Fink nickte, sah Julia Durant an. »Selbstverständlich.«
    »Ich verlasse mich darauf … Beide Männer wurden, wie Sie wissen, auf eine sehr außergewöhnliche und sehr raffinierte Weise getötet. Meine Kollegen und ich haben inzwischen einiges aus dem Leben der beiden herausgefunden, das so gar nicht mit den Grundsätzen Ihrer Kirche zusammenpaßt. Können Sie sich vorstellen, was das ist?«
    »Nein, tut mir leid. Was ist es denn?«
    »Sie hatten beide, zumindest was ihr Privatleben anging, alles andere als eine saubere Weste. Und einer von beiden war auch im beruflichen Bereich nicht ganz koscher.«
    Laura Fink strich wieder mit ihrem Finger über den Glasrand, ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »Ja, und? Wer von uns hat schon eine absolut saubere Weste? Jeder hat Fehler und Schwächen, selbst die Leute in der Kirche.«
    »Nun, ich weiß, daß jeder Mensch Fehler hat, doch bei Rosenzweig und Schönau war es doch ein klein wenig anders. Sagen Sie, haben Sie je davon gehört, oder wurde gemunkelt, daß sie Affären hatten?«
    Julia Durant beobachtete die nächste Reaktion von Laura Fink, die nur den Kopf schüttelte.
    »Gerüchte hört man allenthalben, ich gebe nichts darauf. Hatten sie denn welche? Affären, meine ich?«
    »Wie es aussieht, ja. Und unter Umständen liegt darin auch ein mögliches Motiv des Täters …«
    »Glaube ich nicht«, sagte Laura Fink schnell. »Selbst wenn die beiden im kirchlichen Sinn unmoralisch gehandelt haben sollten, so heißt es doch, soll man sich erst von seinen eigenen Sünden reinwaschen, bevor man daran geht, sich über die der andern herzumachen.«
    »Aus Ihren Worten entnehme ich, daß Sie den Täter im kirchlichen Bereich sehen.«
    »Aus meinen Worten können Sie gar nichts entnehmen. Ich habe keine Ahnung, ob es jemand aus der Kirche ist oder nicht.«
    »Kommen wir noch einmal auf Ihren Vater zurück. Was könnte den Schreiber veranlaßt haben, ihm diesen Brief zu schicken?«
    »Sie haben doch vorhin schon gesagt, es könnte sich um einen makabren Scherz handeln …«
    »Und wenn nicht? Was, wenn Ihr Vater tatsächlich der nächste auf der Abschußliste ist? Was, wenn der Täter es auch auf ihn abgesehen hat?«
    »Dann hat mein Vater Pech gehabt. Und vermutlich etwas zu verbergen, von dem ich nichts weiß«, erwiderte Laura Fink ungewöhnlich kühl und teilnahmslos.
    »Das hört sich nicht sehr liebevoll an …«
    »Wenn Sie meinen …«
    »Hat Ihr Vater eine reine Weste? Ich meine, mir hat er gesagt, als ich ihn auf seine Vergangenheit angesprochen habe, diese sei so weiß wie das Leinentuch, in das Christus gewickelt wurde. Wenn er es sagt, muß ich es ihm glauben, ob ich will oder nicht.«
    »Glauben Sie es denn?«
    Julia Durant schüttelte kaum merklich den Kopf, sagte: »Um ehrlich zu sein, nein. Ich weiß nicht, warum, aber er hatte sicherlich einen Grund, Sie rauszuschicken, bevor er mir die Frage beantwortete. Es muß etwas geben, das einen andern dazu bringt, ihm dieses Schreiben zu schicken. Was meinen Sie, warum hat er Sie aus dem Raum geschickt? Es ist Ihr Haus, Sie bestimmen, wer geht und wer bleibt, oder?«
    »Ich wollte einfach höflich sein. Mein Vater ist ein schwieriger Mann, und in seiner gegenwärtigen Situation wollte ich nicht …«
    »Schon gut, Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Aber mal anders gefragt, an wen könnte ich mich denn wenden, um etwasüber die Vergangenheit Ihres Vaters herauszubekommen, wenn nicht aus Ihnen?«
    »Warum wollen Sie unbedingt in der Vergangenheit von Menschen herumwühlen? Ist nicht die Gegenwart das einzige, das zählt? Lassen Sie doch die Toten ruhen.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich meine damit nur, die Vergangenheit ist tot, die Gegenwart lebt, mit jeder Sekunde, mit jeder Minute, mit jedem Atemzug. Und kaum sage ich das, ist es schon wieder Vergangenheit.«
    »Aber es ist die Vergangenheit, die den Täter nicht ruhen läßt, Frau Fink. Soll ich Ihnen das an Ihren Vater gerichtete Schreiben noch einmal vorlesen? Vor allem der letzte Satz macht mich nachdenklich –
Jemand, der Dich nie vergessen hat und den Du nie vergessen wirst.
Es hat mit der Vergangenheit Ihres Vaters zu tun, ob Sie es sich eingestehen wollen oder nicht. Und manchmal wird die Vergangenheit zu einer grausamen Realität.

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