Lettie Peppercorn und der Schneehaendler
dem Wasser zu hieven.
In seiner Verzweiflung warf Noah sich wieder mit seinem ganzen Gewicht gegen den Schiffsrumpf, und zwar genau in dem Augenblick, als die Glotzerin Lettie ins Visier nahm. Die Blutkübel machte einen Satz, und die Glotzerin geriet aus dem Gleichgewicht. Lettie erkannte ihre Chance und trat nach der alten Frau. Die Glotzerin taumelte nach hinten, stolperte über eine rollende Kokosnuss und setzte sich mit einem lauten Geräusch wie von zerberstendem Glas auf den Hosenboden. Dann stieß sie einen Schwall bohemienischer Flüche aus, der gleich in einen Schwall salziger Tränen überging. Sie hatte ihre Sucherbrille unter sich begraben und in tausend Splitter zerbrochen, die allesamt extrem scharfkantig und spitz waren.
Lettie überließ sie ihrem Gejaule und machte sich auf die Suche nach Blüstav. Sie musste schnell sein, das wusste sie. Die Walfänger waren mit dem Kampf gegen Noah beschäftigt. Allem Anschein nach würden sie diesen Kampf gewinnen. Noah ließ das Schiff zwar hin und her schwanken, konnte dem Kran aber nicht entkommen. Nur ein einziger Schuss aus der Bazooka, und er wäre verloren.
Am anderen Ende des Schiffes schien Käpt’n McNulty gerade genau denselben Gedanken zu hegen. Sein Blick traf den von Lettie. Dann schauten beide gleichzeitig auf die Bazooka, die am Boden lag. Lettie schlitterte über das wankende Deck darauf zu. Das Krangetriebe ächzte, Noah brüllte, die Bazooka lag in der Mitte zwischen Lettie und dem Käpt’n, als würde sie abwarten, wer sie wohl als Erstes zu fassen bekam.
Lettie war ein Stück näher dran, aber Käpt’n McNulty war ein Seemann. Ihm konnte das Schlingern des Schiffes nichts anhaben. Lettie musste hilflos mit ansehen, wie er sich auf die Bazooka stürzte und sich bückte, um sie aufzuheben.
Doch dann gab es einen fürchterlichen Knall, und der Käpt’n riss entsetzt die Augen auf. Die Glotzerin hatte, halb blind vor Schmerz, Wut und Kurzsichtigkeit, zwei verschwommene Gestalten vor sich gesehen und ihre Pistole abgefeuert.
Und zu Käpt’n McNultys Pech hatte sie sich das falsche Ziel ausgesucht. Die Kugel sirrte direkt durch seinen Stiefel hindurch. Heulend und fluchend versuchte er ein letztes Mal nach der Bazooka zu greifen, aber diesmal war Lettie schneller und schnappte sie ihm vor der Nase weg. Dann legte sie ohne zu zögern an und drückte den Abzug.
Die winzige Dynamitladung flog aus dem Lauf der Bazooka hervor und landete am Fuß des riesigen Krans. Tranmann Johnson bemerkte gar nicht, wie die kurze Lunte rasch abbrannte und …
BUUUUUMM!
Die Explosion ließ den Kran in einem Gewitter aus Funken und Rauch hochschießen, als wäre er ein gigantischer Feuerwerkskörper. Plötzlich war er nicht mehr mit dem Schiff verbunden – und Noah nicht mehr in seinen Fängen. Sofort erkannte der Wal seine Chance und holte mit der Schwanzflosse aus. Er verpasste dem Kran einen so heftigen Schlag, dass er sich senkrecht in das Deck der Blutkübel bohrte.
In der ganzen langen Geschichte des Walfangs war es noch nie vorgekommen, dass ein Wal ein Walfängerschiff harpunierte. Der Kran durchbrach den Schiffsrumpf, sodass gleich eine riesige Wasserfontäne herausschoss. Die Männer schrien wild durcheinander: »Runter vom Schiff!«
Rotz-Hotte Charlie rannte, eine Hand an der Nase, zum Rettungsboot. Käpt’n McNulty folgte ihm humpelnd. Heizer Pete stürmte aus dem Maschinenraum herauf und sprang kopfüber ins Meer – fast als wäre er erleichtert, sich endlich mal wieder waschen zu können. Aber Lettie hatte keinen Blick für die Walfänger. Sie hielt Ausschau nach Blüstav, der Muschel.
Gurgelnd und spritzend verschlang der Ozean das Schiff und spuckte Lettie seinen Schaum wie Speichel über die Füße. Lettie wurde langsam panisch. Blüstav war nirgends zu entdecken! Fässer, Harpunen, Rettungswesten und Tranmann Johnsons Stiefel schwammen um sie herum … aber von Blüstav keine Spur. Sie hatte nur noch wenige Minuten Zeit, und sie konnte ihn nirgendwo sehen. Lettie wurde ganz starr vor Angst. Was, wenn er mitsamt dem Schiff in die Tiefe sank? Dann wäre die Schneewolke für immer verloren.
Plötzlich fiel ihr Blick auf etwas, das am tiefen Ende des untergehenden Schiffes zwischen zwei Holzkisten klemmte. Das war er! Lettie befreite Blüstav und rollte ihn zu einer Stelle, an der das Deck noch trocken war. Ihre Hände zitterten. Als Lettie über Blüstavs Schale fuhr, spürte sie die Knubbel und quadratischen Erhebungen, die
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