Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
Vom Netzwerk:
der anderen Seite hinunter. Dabei traf er mit dem Fuß den Mercedes-Stern und schlug ihn vom Kühler. Als ob nichts gewesen sei, spurtete er weiter. Treidler riss die Tür auf und heftete sich an seine Fersen.
    Am nächsten Zwischenweg bog Mehmet nach rechts und verschwand aus seinem Sichtfeld. Keine Ahnung, wie er mit solch tief sitzenden Hosen – die fraglos jeden Schritt zur Qual machten – eine derartige Schnelligkeit an den Tag legen konnte.
    Sekunden später erreichte Treidler ebenfalls die Ecke. Der Zweig einer japanischen Zierkirsche reichte bis in den Weg hinein und peitschte ihm ins Gesicht. Treidler schrie auf. Winzige Teile der Blätter und Rinde drangen in seine Augen. Trotzdem rannte er weiter. Mit verschwommenem Blick erkannte er in einiger Entfernung Mehmet, der versuchte, über einen mannshohen Gartenzaun aus dunklen Brettern zu klettern.
    Treidler kam schnell näher. »Mehmet, bleib stehen. Ich will nur mit dir reden.«
    Mehmet schaute kurz zu seinem Verfolger, allerdings wohl nur, um abzuschätzen, wie viel Zeit ihm blieb. Offensichtlich kam er zum Ergebnis, dass sein Vorsprung problemlos ausreichen würde, um über den Zaun zu klettern. Und noch bevor Treidler ihn einholen konnte, verschwand Mehmet hinter den Brettern, und aufgeregtes Hühnergegacker erklang.
    Treidler erreichte ebenfalls den Zaun. Doch statt einfach darüberzuklettern, musste er seinem schlechten Trainingszustand Tribut zollen und zu Atem kommen. Als sich sein Herzschlag etwas beruhigt hatte, spähte er über die Bretter. Gerade noch rechtzeitig sah er, wie Mehmet ins Stolpern kam und der Länge nach hinfiel. Das war seine Chance. Treidler zog sich keuchend am Lattenzaun hoch und brachte mit letzter Kraft ein Bein über den Rand. Erbarmungslos stießen die Kanten der Bretter in seinen Unterleib, und er stöhnte auf. Hastig ließ er sich auf der anderen Seite hinunterfallen und landete hart auf dem Boden – und im Hühnermist. Ein gutes Dutzend Hennen stob gackernd auseinander.
    Treidler rappelte sich auf. An seinem T-Shirt klebten Mist und Federn, und die Knie seiner Jeans zierten Lehmflecken.
    »Verfluchte Scheiße.« Er versuchte, seine Hosen rasch zu säubern. Statt jedoch den Dreck abzubekommen, haftete bald ein zähes Mist-Lehm-Gemisch an seinen Händen. Noch einmal fluchte er und schaute sich nach Mehmet um. Aber der war längst verschwunden.
    Zerknirscht, mit verdreckter Kleidung und einem blutigen Kratzer auf der Wange machte sich Treidler auf den Rückweg. Als er um die Ecke mit der japanischen Zierkirsche bog, glaubte er für einen Moment, dass ihm seine Augen einen Streich spielten. An seinem Auto zappelte ein sichtlich nervöser Mehmet, und direkt hinter ihm, an der rückwärtigen Fahrzeugtüre, lehnte Melchior. Sie hielt den abgerissenen Mercedes-Stern in den Händen und grinste, als sie ihn kommen sah.
    »Sie hat’s ja ganz schon erwischt«, sagte sie.
    »Ich will keinen Ton hören.« Treidler streckte ihr drohend den Zeigefinger hin. »Wie haben Sie mich überhaupt gefunden?«
    »Ich bin Polizistin, schon vergessen?«, gab sie immer noch grinsend zurück.
    »Die Schober?«, fragte Treidler.
    Melchior nickte. »Und mein neuer Dienstwagen.« Sie deutete auf einen silbernen VW Passat zwei Fahrzeuge hinter Treidlers Mercedes. »Ich hab’s Ihnen schon ein paarmal erzählt, das mit dem Wagen.«
    Vermutlich ja. Aber Nebensächlichkeiten dieser Art vergaß er immer. Treidler wandte sich Mehmet zu. Erst jetzt erkannte er, dass Melchior ihn mit Handschellen an den Griff der Beifahrertür gefesselt hatte.
    »Und, Mehmet, kennst du mich noch?«
    Mehmet blinzelte zweimal. »Klar, eh, du bist doch der Bulle, der mich hopsgenommen hat. Und jetzt willst du mich wieder mitnehmen. Aber ohne die Ninja-Schnecke da wär isch schon auf alle Berg.«
    Treidler ersparte sich, ihn darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Wortes »Bulle« leicht eintausend Euro kosten konnte. Welche Strafe ihm die »Ninja-Schnecke« einbrachte, wusste Treidler allerdings nicht.
    »Warum mitnehmen?«, fragte Treidler und runzelte die Stirn. Da kam ihm ein Verdacht. »Wann ist deine Verhandlung?«
    Mehmet senkte den Kopf, sodass das Schild seiner Mütze das gesamte Gesicht verdeckte. »War schon«, kam es kleinlaut von seinen Lippen.
    »Und? Was hast du bekommen?«
    Keine Antwort.
    »Hat es dir die Sprache verschlagen?«
    »Isch weiß nimmer.« Mehmets Blick blieb stur auf den Boden gerichtet.
    »Blödsinn – das nehme ich dir nicht ab.«
    »War nix

Weitere Kostenlose Bücher