Letzte Ausfahrt Neckartal
reumütig dreinzuschauen. »Woher kennen Sie ihn überhaupt?«
»Wird das jetzt ein Verhör?«
Treidler konnte nicht erkennen, ob Melchior die Frage scherzhaft meinte. »Nein, natürlich nicht.«
»Es geht Sie zwar nichts an, und ich weiß auch nicht, warum ich es Ihnen sage, aber wir haben uns bei einem Lehrgang in Hamburg kennengelernt und sind ein paarmal miteinander ausgegangen.«
Treidler presste die Lippen aufeinander. Jäh flammte ein neuartiges Gefühl in ihm auf. Er spürte diesen winzigen Stachel, der sich in ihn bohrte. Obwohl er wusste, was dieses Gefühl bedeutete, weigerte sich sein Verstand, es zuzulassen.
Petersen und Paschl hatten das Besprechungszimmer verlassen. Winkler hingegen stand mit seinem Assistenten nach wie vor an der Magnettafel. Schweigend starrten sie auf die Ausdrucke, die fraglos dem Fundus des BKA entstammten.
Treidler trat hinter die beiden. Neben der Abschrift des Gesprächs gab es ein Organigramm mit einem guten Dutzend Namen oder Fragezeichen in kleinen Kästchen. Offenbar sollte es die Struktur der Terrorzelle verdeutlichen. Die übrigen Ausdrucke zeigten Bilder der Pässe und Fotos von zwei Männern mit arabischem Aussehen und arabisch klingenden Namen. Treidler schätzte ihr Alter auf etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre. Einer trug einen halblangen Bart, der andere eine kreisförmige weiße Kopfbedeckung. Im ersten Moment wirkten sie wie die Personifizierung des islamistischen Terrorismus. Schließlich hing da noch eine Landkarte von Baden-Württemberg, auf der die Rastanlage Neckartal mit einem roten Kreuz markiert war.
»Das ist ein ganz großes Ding«, ließ Borchert verlauten und nickte bedeutungsvoll.
»Ja, aber zu groß für den da.« Winkler deutete mit dem Kopf auf Treidler, ohne ihn dabei anzusehen.
»Bestimmt hat das BKA nur darauf gewartet, mit euch Luschen zusammenzuarbeiten«, gab Treidler zurück.
»So ist es.« Winkler fixierte einen Punkt auf der Magnettafel. »Denn ich werde ab Montag die Ermittlungen leiten.«
»Du träumst wohl.«
»Nee.« Winkler drehte sich zu Treidler und lächelte. »Du warst so blöd und hast dich soeben selbst rausgekegelt.«
6
Melchior saß vor ihrem Computer und schaute nicht auf, als Treidler im Büro ankam. Er ging zu seinem Schreibtisch, nahm das Telefon zur Hand und versuchte Karchenberg von der Rechtsmedizin zu erreichen. Seine Sekretärin wartete mit schlechten Nachrichten für ihn auf: Die Obduktion der Leiche von der Rastanlage war zwar abgeschlossen, aber der Doktor sei nicht im Haus. Sie tippe im Moment das rechtsmedizinische Gutachten ab, aber keinesfalls dürfe sie sich vorab dazu äußern. Immerhin erhielt Treidler von ihr die Auskunft, dass sie im Laufe des Vormittags damit fertig wäre und ihm das Gutachten dann sofort zukommen ließe.
Er legte den Höhrer auf die Gabel, und im gleichen Augenblick drang eine blecherne, aber zweifellos junge männliche Stimme aus dem Lautsprecher in Melchiors Computer: »… hochgehen, isch schwör. So wie Tschetschenen in Theater Moskau. Nix mehr nur labern, sondern des macht nächste Tage richtig großen Knall, ohn Scheiß.«
Treidler hob den Kopf. Melchior spielte die Aufzeichnung des Telefongespräches ab. Eine weitere ebenfalls männliche Stimme, die jedoch viel dumpfer klang, fragte: »Inschallah, aber wie willst du das anstellen?«
Darauf folgte abermals die blecherne Stimme: »Schon vorbereitet – verlass dich drauf. Scheiß-Russen, is Krieg. Und isch werd gewinnen. – Also kommstu?«
»Klar Mehmet, ich helfe dir.« Nach diesen Worten endete die Aufnahme. Es folgte ein leises Klicken, und die Aufzeichnung brach ab.
Verdammt, die Stimme! Drei, vier schnelle Schritte, und Treidler stand vor Melchiors Schreibtisch. »Lassen Sie das noch mal laufen – jetzt gleich.«
Melchior sah ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Ratlosigkeit an, startete jedoch die Aufnahme ein weiteres Mal. »… hochgehen, isch schwör. So wie Tschetschenen in Theater Moskau. Nix mehr nur labern, sondern des macht nächste Tage richtig großen Knall, ohn Scheiß.«
»Stopp«, rief Treidler.
Melchior hielt die Aufnahme an.
»Nur die letzten beiden Worte noch einmal und etwas lauter, wenn’s geht.«
»Was ist los?«, fragte sie.
»Machen Sie schon«, forderte er und ließ ein lang gezogenes »Bitte« folgen, als er ihren verärgerten Blick bemerkte.
Melchior erhöhte die Lautstärke, schob den Regler ein wenig zurück und klickte erneut auf Start.
»… richtig
Weitere Kostenlose Bücher