Letzte Ausfahrt Neckartal
hätte wählen sollen. Mehmet schaute einmal nach links, dann nach rechts und sprintete los. Keine zwei Sekunden später befand er sich auf Höhe des Zwischenwegs mit der japanischen Zierkirsche und verschwand um die Ecke.
Melchior warf Treidler einen fragenden Blick zu und setzte an, Mehmet zu folgen.
Treidler hielt sie mit einer Handbewegung zurück. »Ich bin zu alt für diesen Scheiß«, erklärte er und starrte zur Zierkirsche an der Ecke. »Am besten, wir lassen den Typ einfach laufen und schreiben ihn zur Fahndung aus. Im Grunde wissen wir bereits alles.« Aber würde es tatsächlich ausreichen, Paschl von den neuen Erkenntnissen zu unterrichten, damit der die Terrorfahndung abblies? Treidler hatte seine Zweifel, ob Paschl ohne Mehmets Aussage mitziehen würde. »Ihr Geißenpeter vom BKA wird uns ohne seine Zeugenaussage kaum glauben.«
»Das ist nicht mein Geißenpeter.« Melchior funkelte ihn aus ihren dunklen Augen an.
»Ja? Sie waren doch mit ihm zusammen.« Wieder spürte er dieses Gefühl, das sein Verstand nicht zulassen wollte.
»Nein, war ich nicht.«
»Vorhin klang das aber anders.«
»Mann, Treidler, was ist heute Morgen Ihr Problem?« Melchior musterte ihn mit einem kritischen Gesichtsausdruck, der allmählich in ein Schmunzeln überging. »Sie sind eifersüchtig.«
»Nein, bin ich nicht.« Die Antwort kam viel zu schnell. Treidler biss sich auf die Lippen.
»Natürlich sind Sie eifersüchtig.«
»Ich und eifersüchtig?« Natürlich hatte sie recht. Der Stachel saß tief. »Auf Rüdiger?«, fragte er und zog den Vornamen des BKA -Beamten unnötig in die Länge. »Bestimmt nicht. Sie können mit dem Kerl ausgehen, solange Sie wollen.«
»Genau das werde ich – so wie früher. Da bin ich auch mit ihm ausgegangen und …« Melchior stockte. »Sonst nichts.« Das Schmunzeln hatte wieder einer verärgerten Miene Platz gemacht. »Warum zum Teufel erzähle ich Ihnen das überhaupt?« Sie drehte sich um und stapfte zu ihrem Dienstwagen.
Er schaute Melchior nach, wie sie in den VW Passat stieg und davonfuhr. Verflucht noch mal, weshalb konnte er nicht einfach die Klappe halten?
Missmutig betrachtete Treidler seine Kleidung: Hühnermist, Federn und Schlamm. In diesem Aufzug sollte er sich nicht im Büro blicken lassen.
Auf seinem Schreibtisch lag der abgebrochene Mercedes-Stern, den Melchior offenbar dort deponiert hatte. Von ihr selbst war nichts zu sehen. Treidler beschloss, sich von Dorfler über die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung informieren zu lassen. Just in dem Moment, als er das Büro verlassen wollte, stand Melchior vor ihm. An ihrem Gesichtsausdruck konnte Treidler nicht erkennen, ob ihre Wut inzwischen verraucht war.
»Immer noch sauer?«, fragte er vorsichtig.
»Ja, aber nicht auf Sie«, gab sie zurück.
»Auf wen dann?«
»Rüdiger.«
»Der Rüdiger?« Treidler konnte sich die abfällige Bemerkung nicht verkneifen.
Melchior nickte.
»Warum?«
»Er will seine Ermittlungen nicht einstellen.«
»Die Beweise sind doch eindeutig. Er befindet sich mit seiner beschissenen Terrorismus-Theorie auf einem Holzweg.«
»Genau das sieht er anders.«
»Dann werd ich ihm das wohl klarmachen.« Treidler wollte sich auf den Weg zu Petersen machen.
Melchior hielt ihn auf. »Sie bekommen gleich Gelegenheit dazu. Er hat ein Meeting angesetzt. In fünf Minuten, im kleinen Besprechungszimmer.«
»Dann gehen wir jetzt rüber und warten auf den großen Meister. Und da wir noch etwas Zeit haben, hänge ich seine verfluchten Fotos von der Magnettafel ab.« Treidler freute sich schon bei dem Gedanken an Paschls Gesicht, sobald der die leere Tafel bemerken würde.
Eine Minute vor halb drei trat Rüdiger Paschl mit energischen Schritten ins Besprechungszimmer. Ihm folgten die finster dreinschauenden Winkler und Borchert. Treidler hatte die Fotos und anderen Papiere abgehängt und sie fein säuberlich auf dem ersten Tisch übereinandergelegt.
»Was soll das?«, fragte Paschl, als er die Ausdrucke auf dem Tisch sah.
»Ihre Operation ›Swabian Punch‹ ist abgesagt. Wir brauchen die Unterlagen nicht mehr«, antwortete Treidler.
»Wie kommen Sie darauf?« Paschl ließ bedrohlich das »R« rollen. Seine stechend blauen Augen bohrten sich in Treidler.
»Meine Kollegin hat Ihnen das vorhin schon erklärt. Aber ich wiederhole es gerne: Es gab nie islamistische Terroristen in Rottweil.«
»Herr Hauptkommissar Treidler, die Einschätzung der aktuellen Lage sollten Sie besser mir
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