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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Ausführungen Glauben schenken sollte.
    »Was gibt’s da nachzudenken?«, fragte Melchior.
    Sanchez räusperte sich. »Ich denke darüber nach, was ich jetzt mit euch machen soll. Ich habe mit eurem Vorgesetzten in Rottweil telefoniert. Ihr solltet mir dankbar sein, dass ich ihn am Samstagabend so schnell auftreiben konnte. Dieser Petersen war nicht eben erfreut, dass ihr in Berlin herumturnt, aber er hat mir deine Geschichte so ähnlich bestätigt. Ich glaube, dass ich euch laufen lassen kann.«
    Melchior sprang auf. Auch Treidler erhob sich langsam. Endlich hatte diese Farce ein Ende.
    »Stopp!«, rief Sanchez. »Das war noch nicht alles. Denn sollte sich herausstellen, dass du Informationen zurückhältst, komme ich mit einem Haftbefehl nach Rottweil und nehme dich und deinen Kollegen fest, cachái ?« Er hob drohend den Zeigefinger. »Und damit du es gleich weißt: Mir ist es scheißegal, dass ihr beide Dienstausweise habt.«
    Melchior grinste. »Und mir, lieber Sanchez, mir ist es scheißegal, dass du einen kleinen Schwanz hast.«
    Als Treidler und Melchior aus dem Gebäude der Polizeidirektion traten, zeigte die Uhr der Straßenbahnhaltestelle kurz vor sieben. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, und es war unangenehm kühl geworden. Melchior lotste Treidler in eine nahe Kneipe. Der schlauchartige Raum mit dunkler Holzvertäflung an den Wänden bestand hauptsächlich aus einer langen Theke und nur einigen abgetrennten Sitzecken. Sie aßen eine Kleinigkeit und sprachen über ihre Dienstzeit in Berlin. Eine zwanglose Unterhaltung wollte jedoch nicht aufkommen. Obwohl er bisher vermieden hatte, Horst Stankowitz zu erwähnen, schwebte sein Tod über allem. Sie sprachen nicht darüber, und trotzdem wusste Treidler, dass sie versuchte, jeden Gedanken daran zu verdrängen. So wie er selbst. Schon Melchiors leerer, immer wieder ins Nichts schweifender Blick verriet, dass sie die Erinnerung an den toten Körper nicht abschütteln konnte.
    Zwei Stunden und drei oder vier alkoholfreie Biere später stellte sich bei Treidler Bettschwere ein. Vor Melchior reihte sich eine beachtliche Anzahl Tequilagläser mit abgenagten Zitronenscheiben. Der Hochprozentige trug offenbar dazu bei, dass sie ihren Kummer für einige Zeit vergessen konnte. Und kaum hatte sie das letzte Glas leer getrunken, bestellte sie zwei weitere Tequilas.
    »Wir sollten jetzt besser gehen«, sagte Treidler.
    »Ich will aber nicht«, gab sie zurück. Obwohl der viele Alkohol schon deutlich seine Wirkung zeigte und sie leicht schwankte, blieb ein trauriger Zug um ihren Mund. »Ich trink noch ein bisschen, dann geht’s mir besser.«
    »Nein, geht es nicht. Ich weiß das.«
    Melchior legte den Kopf zur Seite und blickte zu ihm auf. »Wir trinken jetzt einen Tequila-Shot miteinander. Wissen Sie, wie man das macht?«
    »Nein, weiß ich nicht.« Natürlich wusste er es. Aber er log in der Hoffnung, nichts trinken zu müssen. »Und ich will es auch nicht wissen.«
    »Nur ein kleiner Shot«, sagte sie. »Es ist ganz einfach. Schauen Sie. Zuerst den Handrücken mit der Zitrone anfeuchten und dann etwas Salz darauf streuen. So wie ich …« Melchior wollte den Salzstreuer über ihrem Daumen positionieren, verfehlte jedoch ihr Ziel um einige Zentimeter. Die Salzkrümel rieselten auf den Tisch. Trotzdem leckte sie ihren Handrücken, leerte den Tequila und knallte das Glas neben die anderen. »Wenn Sie schon nicht mitmachen«, lallte sie, »dann muss ich wohl den zweiten auch trinken …« Sie schüttete den Inhalt des anderen Glases in sich hinein, biss in die Zitrone und verzog das Gesicht.
    Treidler schüttelte den Kopf, als Melchior nochmals einen Tequila bestellte. Auch den leerte sie in einem Zug, verzichtete jedoch diesmal auf das Prozedere mit dem Salz und der Zitronenscheibe. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass Melchior diese Alkoholmenge trinken konnte, ohne umzufallen. Als sie für eine neue Bestellung ansetzte, hielt er sie zurück. Er zahlte und brachte es mit einiger Überredungskunst fertig, sie aus der Kneipe in das nächste Taxi zu lotsen.
    Die frische Luft verstärkte die Symptome des Alkohols. Vor dem Hotel war Melchior nicht mehr fähig, aus dem Taxi zu steigen. Treidler bezahlte den Fahrer und half ihr aus dem Fond. Auf dem Weg zur Eingangstür musste er sie stützen, während sie wieder von ihren ehemaligen Kollegen im Abschnitt fünfzehn erzählte. Inzwischen schaffte sie allerdings keine zusammenhängenden Sätze mehr. Treidler

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