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Letzte Ausfahrt Neckartal

Letzte Ausfahrt Neckartal

Titel: Letzte Ausfahrt Neckartal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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paar Kilo mehr wiegen. Seit einer guten halben Stunde befand er sich nahezu alleine im Frühstücksraum und kostete die Annehmlichkeiten seiner Dienstreise. Drei Teller und zwei leere Kaffeetassen stapelten sich inzwischen auf seinem Tisch, und von Melchior war weit und breit nichts zu sehen. Ein beschauliches und ruhiges Frühstück, fand er.
    Er hatte das Omelett zur Hälfte vertilgt, als die Aufzugstüren auseinandergingen. Im ersten Moment geschah nichts. Die Türen blieben einfach offen stehen. Mit gesenktem Kopf trat Melchior schließlich aus der Kabine und steuerte auf den Speisesaal zu. Sie verbarg ihre Augen hinter einer riesigen Sonnenbrille. Ihr sonst so dunkler Teint hatte eine gräuliche Färbung angenommen. Sie wäre besser noch ein paar Stunden im Bett geblieben. Kurz hob sie ihren Kopf, entdeckte Treidler und setzte sich wortlos auf den Stuhl gegenüber.
    Treidler musterte sie mit einer Mischung aus Mitleid und Belustigung. Ihr Brummschädel würde sicherlich noch eine Weile anhalten. »Morgen, Melchior. Haben Sie gut geschlafen?«
    Keine Antwort. Vermutlich lag ein Vormittag vor ihm, an dem er alles zweimal sagen musste. Treidler seufzte. »Ihnen ging es schon mal besser, richtig?«
    »Haben Sie mir den Pullover ausgezogen?«, entgegnete sie.
    »Nein, ich habe den Nachtportier dazu gerufen.«
    »Das ist nicht witzig, Treidler«, brummte sie.
    »Ach, kommen Sie, ein bisschen schon.«
    »Nein. Das war eine einfache Frage, die man mit Ja oder Nein beantworten kann. Also haben Sie oder haben Sie nicht?«
    Na schön. Er nickte.
    »Warum?«
    »Vielleicht wollte ich die Situation ausnutzen?«
    »Haben Sie?« Melchior straffte den Rücken.
    »Nein. Sie sind kurz davor eingeschlafen.«
    Melchior atmete aus, stockte jedoch sogleich wieder. Erst jetzt hatte sie die Ironie in seiner Antwort bemerkt. »Ich weiß nicht, warum ich immer noch hoffe, dass ich mich irgendwann mit Ihnen vernünftig unterhalten könnte.«
    Treidler zuckte mit den Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber sollte ich Sie in diesen stinkenden Klamotten schlafen lassen?«
    Statt einer Antwort starrte Melchior die Brösel auf der Tischdecke an.
    Betont gleichgültig trennte er mit der Gabel ein Stück von seinem Omelett ab und schob es in den Mund. »Klasse, dieses Teil hier«, sagte er. »Das müssen Sie nachher unbedingt versuchen.«
    »Ich habe keinen Hunger.« Die Fältchen um ihren Mund schienen über Nacht tiefer geworden zu sein. Sie sah um Jahre älter aus als am Abend zuvor.
    »Was allerdings gestern schon am Büfett fehlte«, fuhr Treidler wie beiläufig fort, »sind Brezeln oder anderes Laugenzeugs. Das ist nicht so angesagt hier in Berlin, richtig?«
    »Und … und die Jeans auch?« Melchior klang, als ob sie die Antwort nicht hören wollte.
    Treidler konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    »Zum Teufel mit Ihnen.« Melchior lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
    »Warum?«
    »Verdammt noch mal, mir tut der Kopf weh, als ob jemand mit dem Hammer dagegenschlägt, und Sie sagen so nebenbei, dass Sie mir gestern Abend im Bett die Hose ausgezogen haben?«
    »Ja«, entgegnete Treidler.
    »Ja? Sonst fällt Ihnen nichts dazu ein?«
    »Doch.« Treidler grinste. Er hatte seinen Spaß.
    »Was?«
    »Sie sollten weniger trinken«, erwiderte er. »Und Sie brauchen keine Angst zu haben, es ist nichts passiert zwischen uns.«
    »Ich würde es ewig bedauern.«
    Vielleicht hatte sie es nicht so gemeint, wie es für seine Ohren klang. Trotzdem empfand Treidler ihre Worte wie Nadelstiche auf seiner Haut. Er schob sich noch einen Bissen Omelett in den Mund und kaute eine Weile darauf herum. »Sobald Sie mit Ihrem Selbstmitleid fertig sind, könnten wir uns verständigen, wie es weitergehen soll.« Ganz konnte er nicht verhindern, dass ein beleidigter Unterton in seiner Stimme mitschwang.
    Melchior lehnte sich wieder nach vorn. »Ich schaue mich heute noch mal in Onkel Horsts Wohnung um.«
    »Das ist aussichtslos.« Treidler schüttelte vehement den Kopf. »Die Spurensicherung war bestimmt schon vor Ort. Sie sollten diesen testosterongeladenen Spanier fragen, ob seine Männer was gefunden haben.«
    »Sicher nicht. Ich bin froh, dass ich Sanchez nicht mehr sehen muss.« Sie ließ ihren Blick kurz durch den Raum schweifen. »Aber vielleicht finde ich in der Wohnung etwas, das sie übersehen haben.«
    »An was denken Sie?«, fragte Treidler. Natürlich musste Stankowitz auf etwas Wichtiges gestoßen sein, etwas, das mit dem Virus

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